GOLF TIME 1/2016 Teaser-Version (21 Seiten)

GOLF TAGE BUCH

Kompa… was? I n diesem milden Winter herrschte emsiges Treiben auf dem Platz. Nachts waren die Sauen unterwegs und am Tag die Senioren, deren sportliche Herausforde- rung darin bestand, die wenigen Flächen zu treffen, die nicht von Wildschweinen Körperbau in Pykniker, Athletiker, Leptosome sowie Dysplastiker unterscheidet. Aber was glauben Sie würde passieren, wenn ich unseren Spartenführer Herrengolf einen Dysplastiker nennen würde? Da bekäme ich eine aufs Maul, von diesem Choleriker! Leider wurde jegliche Typenlehre von Frau Willig, unserer Frauen- beauftragten, als diskriminierend untersagt.

aufgebrochen waren. Mit roten Backen saßen sie dann im Clubhaus, um die in deutschen Club- häusern üblichen niveauvollen Gespräche zu pflegen. Beim Punsch lauschten wir Jüngeren, wenn die Generation Ü80 von Hogans Geheimnis, „Plus fours“ und dem innovativen Golfplatz- Design eines Bernhard von Limburger schwärmte. Nach dem Punsch, wenn die alten Herren in vagen Erinnerungen nach dem Heimweg stocherten, machten wir uns an die Arbeit. Die Mitarbeiter des „Golftherapeutischen Pflege- dienstes“ (GTP) Schunk, Janzen und ich, schoben die Sessel zusammen, während Clubsekretärin Helga die Agenda verteilte. Dass wir wegen der Änderungen im Vorgabensystem keinen Regel- abend bräuchten, war schnell geklärt. Was unter „wirre Ideen des DGV“ in einem Leitz-Ordner abgeheftet lag, war in Bauernburg ohnehin weder wahrgenommen, geschweige denn verstanden worden. Bei uns ist es wie in der Medizin: Neues setzt sich erst in der nächsten Generation durch – sofern es sich bis dahin bewährt hat. Für ein Rückrudern auf den Wissensstand unserer Mit- glieder bedurfte es keines Regelabends. Seit das Leder-Wedge gesellschaftsfähig ist und die Addi- tion von acht Schlägen fünf ergibt, sind kleinka- rierte Regelkundler ohnehin verpönt. Für unser Club-Leben ist die jährliche Kom- patibilitätsliste sowieso viel wichtiger! Um ein Hauen und Stechen auf dem Platz zu vermeiden, werden die Flights unter Berücksichtigung per- sönlicher Sympathien und Aversionen eingeteilt. Als wissenschaftliche Grundlage dient mein Bestimmungsbuch „Schlägertypen in Wald und Flur“, in dem ich mich mit den klassischen Methoden zur Unterscheidung des Menschen befasst habe. Im antiken Griechenland kannte man zum Beispiel die vier Temperamente. In den 1920er- Jahren dachte sich der Psychiater Ernst Kretschmer eine Typenlehre aus, die Menschen nach dem

Aber dass Golfer Geräusche von sich geben, die ein legitimes Unterscheidungsmerkmal sind, musste uns Frau Willig zugestehen. Jeder kennt Hechler, Schnaufer, Kreischhühner, Jammerer, Brüllochsen und dauerplappernde Angeber, um nur einige Typen zu nennen. Und bei der Aus- rüstung unterscheiden wir Klapperer, Trolley- Quietscher, Head-Banger und Bag-Umfaller. Das ist unser Rüstzeug, das durch die Protokolle des GTP ergänzt wird, weshalb wir mehr über unsere Mitglieder wissen als NSA und Google zusammen. Das geht dann so, dass Helga die Namen vorliest und wir antworten. Helga: „Kaulmann (Brüllochse) mit Schöpf (Angeber)?“ Wir: „Negativ. Kaulmann hat Schöpf letzten Juni in einen Bunker geschubst und Weichei genannt.“ „Kaulmann mit Drabisch (Plapperer)?“ „Erst, wenn Drabisch die Scheidung hinter sich hat.“ „Frau Drabisch (Jodlerin) mit Schöpf?“ „O.K., zumindest solange sie auch mit ihm schläft.“ „Dr. Bercelmeyer (Klapperer)? Wie immer mit Fahrenbach (Bag-Umfaller)?“ „Bercelmeyer möchte öfter mit privat Versicherten spielen.“ „Wo ist die Liste privat Versicherter?“ „Hier!“ „Brigitte Langer? Solvent bis zum Anschlag!“ „Würde Bercelmeyer psychisch nicht verkraften. Die lässt ihn am Abschlag 100 Meter kurz.“ „Und mit Versicherungsvertreter Heiner Markowski?“ „Brachial-Golfer, für Bercelmeyer zu laut, außerdem kerngesund!“ „Aber der mit Traudl Behringer?“ „Traudl mit Markowski? Großer Gott! Die Frau ist Yogalehrerin und lebt vegan! Nach einer Runde mit Heiner hat sie Löcher in der Aura…“ „Aber sie mit Waldvogel, der spielt Geige?“ „Das geht.“ Tja, und so ging das den ganzen Abend und den nächsten Tag, aber es war der Mühe wert, denn auf diese Weise findet in Bauernburg jedes Tröpfchen sein Kleckerchen. GT

EUGEN PLETSCH Jahrgang 1952, Autor von fünf satirischen Büchern (z. B. „Der Weg der weißen

Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015), lebt als Schriftsteller bei Gießen. Legendär sind seine Lesungen in Golfclubs, wo er als Mit- arbeiter des „Golftherapeutischen Pflegediensts“ live aus der Grünen Hölle berichtet. Kontakt: home@cybergolf.de

»Seit das Leder- Wedge gesell- schaftsfähig ist und die Addition von acht Schlägen fünf ergibt, sind kleinkarierte Regelkundler ohnehin verpönt«

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GOLF TIME | 1-2016

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