GOLF TIME 2-2017

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Im Jahr 2015 hast du das Masters und die U.S. Open gewinnen können. Was beein- druckt dich selbst am meisten, wenn du diese Saison Revue passieren lässt? Die Fähigkeit, ein starkes Finish hinzu- legen. Wie wir das Masters durchgestan- den haben, nachdem wir im Vorjahr knapp am Sieg vorbeigeschrammt sind, war etwas Besonderes. Aber auch die anderen beiden Major-Turniere verliefen großartig, obwohl wir bei der Auslosung der Startzeiten viel Pech hatten. Bei der PGA hat uns das Los drei Schläge gekostet. Doch ich habe alle Neben- geräusche ausblenden können. Solche Dinge, wie auf dem Cover der Sports Illustrated ab- gebildet zu sein, und hielt mich an unseren Plan. Ich habe bei der John Deere die Zügel in die Hand genommen und bin auch noch nach der U.S. Open drangeblieben. Was mich rück- schauend stolz macht? Dass ich in der gesam- ten Zeit im Rhythmus geblieben bin. Ein Jahr später – gab es da einen Teil in dir, der aufgeatmet hat, als 2016 abgehakt war, nach dem, was in Augusta passiert war? Ja, definitiv. Ich war froh, als es 2017 wieder losging. 2016 war nichtsdesto- trotz ein tolles Jahr und ich habe viele Erfah- rungen gemacht, positive wie negative. 2015 gab es so gut wie keine Tiefpunkte und im Kontrast dazu musste es Rückschläge geben. wartungshaltung jedenfalls nicht gedämpft. Ich hatte Siegchancen bei den vorangegange- nen fünf Major-Turnieren, also dachte ich mir, warum soll das nicht so weitergehen? Grund- sätzlich ist es möglich, doch es ist gleichzeitig unrealistisch, ernsthaft zu erwarten, dass man bei jedem Major vorne dabei ist. Bei der U.S. Open war ich ein wenig gefrustet. Bei den letzten drei Majors hatte ich Pech bei der Auslosung, wenn es um die erste Turnier- runde geht. Aber ich gebe zu, dass mich das etwas zu sehr frustriert hat. Begeistern sich die Medien deiner Meinung nach zu sehr für aktuelle Erfolge? Und wenn ja, beeinflusst dies deine eigene Sicht auf dein Spiel? Ich lerne gerade, mein Spiel aus dem „Karriere“-Blickwinkel und nicht nur Bist du 2016 mit einer erhöhten Erwartungs- haltung, verglichen mit 2015, angetreten? Der zeitweilige große Vorsprung beim Masters im letzten Jahr hat meine Er-

REALIST Spieth (mit Caddie Michael Greller) wusste, dass die Fehlschläge an Loch 12 ihn verfolgen würden

mit Leuten Zeit verbringe, die ich zuvor nur aus dem Fernsehen kannte – Sportler, Schau- spieler, Prominente. Nimm bspw. Michael Phelps. Er interessiert sich für meine Sicht der Dinge. Wir hatten einige tolle Gespräche und das ist schon cool. Was ziehst du aus Begegnungen mit ande- ren Top-Athleten wie Phelps oder Tom Brady (American Football-Spieler)? Ich finde es einfach nur cool, wenn ein Super Bowl-Champion oder ein World Series-Gewinner bei einem Pro-Am vor zehn Leuten einen Golfschlag machen soll und diese Jungs aufgeregter sind als vor einem entscheidenden Wurf in der Meisterschaft. Ich finde es witzig, denn ich frage mich, wie kann es sein, dass diese Kerle nervös werden, obwohl sie schon vor der ganzen Welt ihren Sport überaus erfolgreich ausgeübt haben. Sie haben doch nichts zu verlieren. Es wird sogar erwartet, dass sie schlecht Golf spielen, also was soll’s? Wenn Phelps in die Schwimm- halle einläuft, ist er komplett in der Zone. Kapuze und Kopfhörer auf, er nimmt nichts und niemanden

aus der Jetzt-Perspektive zu sehen. Leider ist dies jedoch die Welt, in der wir leben. Alle Fragen, die man gestellt bekommt, drehen sich mehr oder weniger um die Gegenwart. Ich habe jedoch primär meine zukünftigen Ziele im Blick, meine Trainingsziele usw. Ich denke und plane sehr langfristig. Natürlich habe ich 2015 erlebt, was Momentum bringen kann. Jedoch muss ich begreifen lernen, dass auch wenn 2016 einige Rückschläge beschert hat, ich mich doch auf lange Sicht gesehen in hervorragender Form befinde. Betrachtet man das Geschehen imNachhinein, stellt sich 2016 für mich somit weitaus positiver dar. Dein Erfolg kam schon in sehr jungen Jahren. Wie schnell kommt dir das alles in der Rück- schau selber vor?

Derzeit empfinde ich es gar nicht als so schnell. Aber vor einem oder zwei Jahren, ja, das war schon ein irres Tempo. Jetzt bin ich an vieles gewöhnt. Bspw.

dass wildfremde Men- schen mich ansprechen oder dass ich ziemlich cooles Zeug machen darf. In der Rück- schau kommt mir das alles ziemlich wild vor. Dass ich

CHAMPION Spieth hatte 2015 alles unter Kontrolle und konnte den Gang zum 18. Grün in vollen Zügen genießen

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