GOLF TIME 4/2016
BuBBa WatSon geboren: 5. November 1978 in Bagdad, Florida besonderheiten: Golf-Autodidakt und zweifacher Majorsieger – bezeichnet Ballesteros und dessen Fähigkeit, selbst in scheinbar aus- weglosen Situationen eine Lösung zu finden, als größte Inspiration für sein „Bubba-Golf“.
sität. Als wir am Landepunkt angekommen sind, blockiert ein mannshohes Gewächs Seves Schwungebene. Ratlos blickt Manuel, selbst angehender Golflehrer, zu seinem jün- geren Bruder. „Ich wette, gleich geht er in die Knie“, flüs- tert mir Bubba zu. Und wirklich, Seve kniet sich hin und versucht, den Ball mit seinem kleinen Holz unter den Büschen hindurch- zubefördern. Nach zwei Probeschwüngen gelingt ihm ein sauberer Kontakt. Die Kugel schießt ungehindert unter den Sträuchern hinüber zum Fairway und bleibt etwa 150 Meter entfernt im Vorgrün liegen. Bubba klatscht verzückt Beifall und ruft auf Eng- lisch: „Ein echter Klassiker! Bravo, Seve!“ Etwas schüchtern lächelnd nickt der junge Spanier dem Amerikaner zu. „Mal sehen, was wir hier haben“, meint Bubba, als wir sein Spielgerät inmitten der Bäume rechts der ersten Bahn finden. Seve und Manuel begutachten die scheinbar aus- weglose Lage, in der sich Bubbas Ball befindet. Nur durch eine schmale Gasse zwischen den eng stehenden Bäumen kann man das Grün in einer Distanz von etwas mehr als 100 Me- tern erahnen. Bubba nimmt Maß und zieht mit dem Sand-Wedge voll durch. Der Ball zischt wie an der Schnur gezogen durch die enge Schneise, bleibt jedoch noch im Steigflug begriffen an einem Baum hängen. Bubba legt einen weiteren Ball an die gleiche Stelle. „Sag ihm, ich zahle ihm 100 Dollar, wenn er den bis auf das Grün be- fördern kann.“ Ich erkläre den Ballesteros-Brüdern Bub- bas Angebot. Seve zuckt mit den Achseln und greift wieder zu seinem kleinen Holz. Mit einem elegant ausgeführten Punch drischt er den Ball flach nach vorne. Dieser beginnt nach der halben Distanz leicht anzusteigen und donnert schließlich geräuschvoll durch die Äste der letzten Baumreihe. Derart ab- gebremst, prallt das Spielgerät über die gras- bewachsenen Erhebungen rund um das Grün hindurch und passiert auch noch die beiden Sandbunker. Nur drei Meter neben der Fahne kommt der Ball zum Stillstand. „Madre de dios!“, entfährt es Manuel, Watson ist sichtlich begeistert. Bubba schenkt Seve den Punkt am erste Loch. Die zweite Spielbahn heißt „La Rivera“ und ist ein mittellanges Par 3 ohne allzu- viele Möglichkeiten, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Lustlos spielen die beiden das Grün mittig an und benötigen jeweils zwei Putts, um ins Loch zu kommen. Die dritte Bahn „Colchón“ hingegen ist ein kurzes, aber sehr enges Par 4. Seve ver- zieht in den Fairwaybunker rechts, Bubba
drischt seinen Ball links über die Bäume in Richtung der dahinter verlaufenden 17, genannt „Las Cue- vas“, wo er im Rough zwischen Wald und Fairway liegen bleibt. Erneut bietet Watson dem jungen Spanier 100 Dollar, sollte er Bubbas Ball bis auf das Grün befördern können. Seve greift zu sei- nem Eisen 9 und lässt die Kugel fast parallel zur Baumreihe starten. Als dieser die Höhe der Baumwipfel erklommen hat, zieht der Ball plötzlich wie von Geisterhand gezogen nach rechts und beschreibt schließlich eine komplette 90-Grad-Kurve. Bubba klatscht verzückt Beifall und sprintet an der Seite von Manuel durch die Bäume zum Grün. Begeistert klatscht er mit Manuel ab und steckt ihm einen Geldschein zu. Bubba schlägt vor, das Matchplay zu ver- gessen und lässt mich schon jetzt die verein- barte Gewinnsumme an Manuel auszahlen. Ganz in der Rolle des spleenigen Millionärs aus Amerika aufgehend, heckt er fortan mit Seve immer verrücktere Lagen aus, die es für diesen zu meistern gilt. „220 Meter aus dem Bunker auf das Grün, und der Ball liegt deutlich unterhalb der Bun- kerkante“, sprudelt es aus dem völlig über- dreht wirkenden Bubba heraus. „Damit hat ... wird er 1983 gegen Fuzzy Zoeller im Ryder Cup den Punkt gewinnen. Unfassbar, dass er den schon drauf hat.“ Bubba und Seve umkurven Toilettenhäus- chen, befördern Lobshots mit dem Rücken zum Grün direkt an die Fahne oder üben sich im einbeinigen Grünbunkerspiel. Die Aufga- benstellungen werden immer absurder, doch Seve fällt selbst aus der scheinbar ausweg- losesten Lage immer noch ein Schlag ein, der ihn zurück ins Spiel bringt. Schließlich kommen wir in Sichtweite des Parkplatzes. Obwohl wir von einem Taxi zum Golfclub gefahren wurden, schreitet Bubba suchend zwischen den Autos herum. Neben einem grünen Seat 133 und einem roten Bar- reiros Simca schließlich bleibt er stehen und
legt einen Ball auf einen schmalen Grün- streifen direkt zwischen den beiden Fahr- zeugen. Hinter einer Hecke befindet sich das 18. Grün, doch um dieses zu erreichen, müssen erst vier Reihen teuer aussehender Automobile überwunden werden, wobei das erste Modell, ein Mercedes der S-Klasse, nur etwa fünf Meter vom Ball entfernt parkt. „Ay, Hombre“, nimmt mich Manuel zur Seite. „Das ist ein Privatclub. Seve und ich sind hier nur geduldet. Wenn wir ein Auto demolieren, fliegen wir alle hochkant raus.“ Ich erkläre Bubba die Lage, der grinsend ein weiteres Bündel Geldscheine zutage fördert. „Sag ihm, ich zahle 500 Dollar für den Grüntreffer, und sollte das Auto beschädigt werden, behaupte ich, dass ich es gewesen bin.“ „Kein Schaden“, ruft Seve uns in gebroche- nem Englisch zu und holt aus, bevor Manuel einen Einwand erheben kann. Der Ball fliegt haarscharf über die Autodächer hinweg und verschwindet hinter der Hecke. Bubba steht an dem Magnolienbaum, den Seve auf seinem Anwesen in Pedreña selbst gepflanzt hat. Nur eine Steintafel mit der be- rühmtgewordenen Jubelpose von der Open Championship 1984 markiert die Stelle, an der sein Sohn Javier vor einer Woche die Asche seines Vaters verteilt hat. In einiger Entfernung ist Kirchengeläut zu hören. Die Glocken von Pedreña haben auch für jeden einzelnen von Seves 91 Turniersiegen geläu- tet. Und auch während seiner Trauerfeier. Bubba wirft noch einen letzten Blick auf die Ruhestätte seines großen Idols. „Danke“, sagt er leise. Ich nicke ihm wortlos zu und schlucke den Kloß in meinem Hals herunter. gt
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GOLF TIME | 4-2016
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