GOLF TIME 5/2023
COVER | 151. OPEN CHAMPIONSHIP
Für jemanden, der erst so spät mit dem Spiel angefangen hat, hatte Harman eine erstaunlich erfolgreiche Jugendkarriere: Er gewann 2003 das U.S. Junior Amateur und gab im darauffolgenden Jahr sein PGA Tour-Debüt beim damals noch MCI Heri tage genannten Turnier in Harbour Town in South Carolina. Er gewann das Players Amateur im Jahr 2005, den Porter Cup im Jahr 2007 und wurde in die Walker-Cup Teams 2005 und 2009 sowie in das Palmer Cup-Team 2007 berufen. 2010 wechselte er ins Profilager und nahm an mehreren Events der eGolf Professional Tour und der Nationwide Tour teil. Innerhalb von zwei Jahren hatte er sich seine volle Tour „WENN SIE WOLLTEN, DASS ICH NICHT GUT SPIELE, HÄTTEN SIE EHER NETT ZU MIR SEIN SOLLEN.“ BRIAN HARMAN
VOM BASEBALL ZUM GOLF Obwohl Harman schon als kleiner Junge auf einem Golfplatz lebte, begann er erst im Alter von zwölf Jahren mit dem Sport, der ihn nun in die Unsterblichkeit katapul tierte. Er sagte, er habe in seiner Jugend lie ber Baseball gespielt, bevor er dann mit ein paar Kindern aus der Nachbarschaft Golf ausprobierte. „Der Moment, als ich mich in Golf verliebt habe, ist interessant“, sag te Harman einmal gegenüber Golf Digest. Er habe nämlich ein Gespräch mit (dem ehemaligen U.S.-Open-Sieger) Steve Jones geführt. „Jones gewann 1997 die Phoenix Open und ich kam von der Schule nach Hau se und war krank. Aus irgendeinem Grund habe ich dann angefangen, dieses Turnier im Fernsehen anzusehen. Es war das Jahr, in dem Tiger ein Hole-in-one spielte, und alle ausgeflippt waren. Ich schaute mir das Ganze an und sagte: ‚Mann, das würde ich gerne mal ausprobieren.‘ Ich habe in der darauffolgenden Woche angefangen und diese Geschichte habe ich Steve Jones erzählt.“
karte erspielt und sich für sein erstes Major qualifiziert – die U.S. Open 2012. Im sel ben Jahr erlangte Harman Berühmtheit, weil er Teil einer ganz außergewöhnlichen Situation bei der Players Championship war. Er sprang als Erster auf der Warte liste kurzfristig ein, nachdem D.A. Points nur wenige Minuten vor seiner Abschlag zeit zurückzog. Da seine Spielpartner Carl Pettersson und Robert Garrigus bereits abgeschlagen hatten, erhielt Harman die Erlaubnis, seine erste Runde alleine zu spielen. 2014 schaffte Harman dann einen wichtigen Meilenstein in seiner Karriere. Er qualifizierte sich nicht nur für die Open in Hoylake und die PGA Championship in Valhalla, er gewann auch sein erstes PGA Tour-Event bei der John Deere Classic. 2015 gelang Harman bei der Barclays das schier unglaubliche Kunststück, zwei Hole-in ones in derselben Runde zu schlagen. Erst 2017 konnte Harman dann einen weiteren Sieg erringen – er gewann die Wells Fargo Championship, indem er am 18. Loch ei nen Neun-Meter-Putt versenkte und mit einem Schlag Vorsprung vor Dustin John son und Pat Perez triumphierte. Dies sollte bis zur denkwürdigen Open in diesem Jahr jedoch der letzte Sieg sein, den er auf der Tour feiern konnte. KEIN STOLPERN IN HOYLAKE Schon einmal hatte Harman bei einem Ma jor eine 54-Loch-Führung inne: 2017 führ te der Absolvent der University of Georgia bei der U.S. Open in Erin Hills nach drei Tagen das Feld an. Doch das bessere Ende hatte Brooks Koepka und holte seinerseits den ersten Major-Titel, während „Harm“ sich mit Platz 2 begnügen musste. Viel näher kam Brian Harman in den Folgejahren an den Major-Ruhm nicht mehr heran, bei der letztjährigen Open in St. Andrews sprang zumindest ein Top Ten-Ergebnis heraus. Dieses Jahr sollte alles anders werden: Harman hatte bei der 151. Ausgabe der Open in Hoylake die 36 Loch- und 54-Loch-Führung vor der
Brian Harman trotzte den Schmähungen der Fans und holte sich bei der 151. Auflage der Open mit einem chirurgisch präzisen kurzen Spiel hochverdient den Titel als „Champion Golfer of the Year“
B
Doch zurück zu Harman, der sowohl mit seinem kurzen Spiel als auch seiner Driving-Genauigkeit in Royal Liverpool, selbst bei widrigsten äußeren Verhältnis sen am Finaltag, zu überzeugen vermochte. Der in Savannah, Georgia, geborene U.S.- Amerikaner ist mit 1,70 Meter der kleinste Spieler auf der PGA Tour und nicht gerade als Longhitter bekannt. Mit seinen ner vösen Waggles in der Schwungvorberei tung (teilweise mehr als zehn Wackler) gibt der Linkshänder mit dem schütte ren Kopfhaar, der ansonsten alle anderen Tätigkeiten rechtshändig ausübt, nicht unbedingt das Paradebild eines „Champion Golfer of the Year“ ab. Doch Harman blieb immer fokussiert und ließ
sich die Chance nicht entgehen, seinen Na men in die Golfgeschichte, respektive in die Siegestrophäe Claret Jug, eingravieren zu lassen. Dass die Fans nicht auf seiner Seite waren, störte „Harm“, wie er von sei nen Freunden genannt wird, was pikanter weise auf Deutsch ja so viel wie „Schaden“ bedeutet, nicht wirklich. „Nachdem ich gestern das zweite Bo gey gespielt hatte, sagte ein Typ, als ich an ihm vorbeikam: ‚Harman, du hast nicht die Eier dafür.‘ Das hat geholfen“, mein te Brian bei der Sieger-Pressekonferenz mit einem Lächeln. „Es hat mir geholfen, mich zu besinnen, dass ich gut genug bin, um das zu schaffen. Ich sagte mir, ich werde meine Prozesse weiter durchlau fen und der nächste Schlag wird gut sein. Ich wusste, dass ich irgendwann schlechte Schläge spielen würde – allein das Wetter und das Szenario würden dazu führen. Ich wusste aber auch, dass die Art und Weise, wie ich darauf reagieren würde, darüber entscheiden würde, ob ich jetzt hier sitze oder nicht.“ Er war den Fans bei der Open, die normalerweise als die fachkundigs ten der Welt gelten, im Nachhinein auch nicht böse für so manche Buhrufe und Schmähungen. „Fleetwood und Rory wa ren vorne mit dabei. Das ist in Ordnung. Jeder hat sein Team, dem er die Daumen drückt. Ja, ich habe die Rufe gehört, aber wenn sie wollten, dass ich nicht gut spie le, hätten sie eher nett zu mir sein sollen.“
rian Harmans Vorliebe für die Jagd brachte ihm in der Woche der 151. Open Championship in Royal Liverpool die Spitznamen
„Brian the Butcher“, „Butcher of Hoylake“, und „Big Game Hunter“ ein. Mit ähnlicher Geduld und Entschlossenheit, die man als Jäger braucht, konnte Harman auf dem alt ehrwürdigen Linksplatz in Hoylake sein Spiel mit chirurgischer Präzision durch ziehen und hatte am Ende einen souve ränen Vorsprung von sechs Schlägen vor Spielern wie Jon Rahm, Jason Day, Tom Kim und Sepp Straka, um sein erstes Major zu gewinnen. Die englischen Fans zeigten dem 36-jährigen „Anti-Helden“ aber an den beiden Finaltagen nur zu deutlich, dass sie lieber einen anderen Sieger gesehen hätten. Allen voran Lokalmatador Tommy Fleetwood, der am dritten Tag gemeinsam mit Harman im letzten Flight auf die Run de ging und im Gegensatz zum U.S.-Ame rikaner nicht zulegen konnte und am Ende mit dem geteilten 10. Platz vorliebnehmen musste. Oder auch Publikumsliebling Rory McIlroy, der mit Rang 6 wieder einmal bei einem Major den Kürzeren zog und somit eine Dekade von sieglosen Majors besiegel te. Die letzten beiden seiner insgesamt vier Major-Titel datieren aus dem Jahr 2014, als er sowohl die Open (damals auch in Hoy lake) und die PGA Championship für sich entscheiden konnte.
Lokalmatador Tommy Fleetwood wurde von den Fans frenetisch angefeuert. Am Ende konnte der Engländer aber nicht mehr entscheidend zulegen
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Rory McIlroy prolongiert seine Major-Flaute
24 GOLF TIME | 5-2023
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