GOLF TIME 5/2024

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andererseits liegt Ihnen diese Rolle aber gar nicht. Sie sind ein Seelenverwandter von Steffi Graf. Wie Sie wollte Steffi nur ihren Sport betreiben und setzte viel – manchmal zu viel – ein, um erfolgreich, um die Beste zu sein. Aber Rummel um ihre Person hasste sie – so wie Sie auch. DIE NUMMER 1 DER WELT Sie waren auch einmal der Beste: 1986, als die Weltrangliste eingeführt wurde, hatten Sie gleich Platz eins belegt. Im Jahr zuvor hatten Sie das Masters gewonnen. Der blonde junge Mann aus Deutschland hatte das Zeug zum Superstar. Aber ein Super star waren Sie nie. Das wollten Sie auch gar nicht sein. Sie wollten Golf spielen, besser werden. Auf der nach oben offenen Richterskala gab es für Sie keine Grenzen: Nur nicht stehen bleiben, nicht rasten. Sie waren ein Arbeiter, ein Guter, ein Uner müdlicher. Zielorientiert. Und erfolgreich! Als Sie nun im Juli Ihren Abschied in Mün chen einreichten, gingen Sie mit dem At tribut vom Platz, der beste deutsche Golfer aller Zeiten gewesen zu sein. Doch das ist falsch: Sie waren nicht der Beste, sondern sind es noch immer – im Alter von 66 Jah ren. Über diese Einschätzung könnte man eventuell streiten, aber darum geht es gar nicht: Ihre Karriere ist atemberaubend er folgreich verlaufen, Ihrem deutlich jünge ren Kollegen Marcel Siem gelang ein Bon mot, als er auf die Frage antwortete, was er gerne von Ihnen hätte: Ihr Bankkonto, Ih ren Kontostand. Das Konto dürfte nach all den Erfolgen – alleine 42 auf der European Tour, als Sie dort spielten, und 46 weitere auf der PGA Tour Champions – gut gefüllt sein. Doch das alles täuscht nicht darüber hinweg, dass Ihre Landsleute Ihnen weit gehend die kalte Schulter gezeigt haben. In Ihrer Heimat waren Sie fast so etwas wie ein Phantom: Sie tauchten hin und wie der in einer Meldungsspalte einer Zeitung, ja sogar der BILD auf. Die FAZ schrieb über Sie, die SZ und die WELT am SONN TAG hatten Sie im Visier, aber sonst? Vor allem die Fachzeitschriften. Zu den besten Zeiten Ihrer Karriere ant wortete der Sportchef einer großen Zei tung bei Axel Springer auf den Vorschlag, eine Geschichte über Sie zu publizieren: „Gehen Sie mal in die Mönckebergstraße (Hamburger Einkaufsmeile, d. Red.) und fragen Sie die Leute, wer Bernhard Langer ist!“ Er wollte damit sagen: Einer wie Sie ist eher selten eine große Reportage wert, man kennt Sie ja kaum. OFT IM SCHATTEN Ganz so unrecht hatte der leitende Redakteur dieser Zeitung nicht: Als Sie

DANKE!

Standing Ovations und Fanspalier: Bernhard Langer nach seiner Freitagsrunde in Eichenried Bernhard Langer bei der Players‘ Night

als Bernhard Langer. Hatten Sie das über haupt bemerkt? Wenn ja, dann hatte Sie das mit Sicherheit nicht im Mindesten berührt. München war eine schöne Inszenierung, es war eine schöne Idee, Ihnen einen Abschied zu bereiten. Aber ein Abschied war es ja gar nicht. Auf der PGA Tour Champions wollen Sie noch ein paar Jahre weiterspielen. Am 27. August feiern Sie Ihren 67. Geburtstag. Für Sie ist das noch lange kein Grund aufzuhören. Auch ein Achilles sehnenriss konnte Sie nicht stoppen. Ein wenig mitgenommen sahen Sie in Eichen ried nach dieser schweren Verletzung noch aus, manchmal schien es, als ob Sie noch humpeln würden. Aber auch das interes siert Sie nicht: Sie wollten ja spielen. Kommenden April soll es noch ein mal zum Masters gehen, nach Augusta in Georgia. Dann wird sich der Kreis für Sie schließen: Dort begann 1985 mit Ihrem ersten Sieg Ihre internationale Karriere. Dort wird es dann Teil zwei der Abschieds tournee geben. Wir werden Sie im Auge behalten, Herr Langer, und freuen uns über jedes Turnier, das Sie noch auf der Champions Tour in den USA spielen werden. Weil Sie Men schen, die über 60 sind, Mut machen. Sie sind der lebende Beweis dafür, dass das Leben mit 66 noch lange nicht zu Ende ist. Nicht einmal als Profisportler. Von Ihnen, Herr Langer, können wir alle lernen! GT

die Nummer eins waren, vor Kollegen wie Greg Norman, Jack Nicklaus oder Severi ano Ballesteros, drehte sich nicht nur in Deutschland alles um einen jungen Mann aus Leimen: Im Alter von 17 Jahren gewann Boris Becker erstmals in Wimbledon. Im Jahr darauf wiederholte er seinen Triumph, der dritte Sieg folgte 1989. Die Welt hielt den Atem an. Wer wollte da schon etwas über Golf hören oder einen Golfer namens Bernhard Langer? Sie waren allenfalls der Schattenmann, für den zunächst nur dann in den Zeitun gen Platz war, wenn sich Becker, Graf oder dann auch Michael Stich einmal eine Pause gönnten. Beklagt haben Sie sich darüber nie. Warum auch? Sie haben das getan, was Sie am liebsten taten: Sie haben Golf gespielt und Turniere gewonnen. Als Ihre Karriere begann, war Willy Brandt Bundeskanzler, auf den Helmut Schmidt folgte. Das klingt nach Vergangenheit, 1974 tauschten die beiden den Job nach dem Rücktritt Brandts. Wer weiß das heu te noch? Trotzdem: Ein Mann von gestern sind Sie nie gewesen. Ein Reporter hatte Sie in München gefragt, ob Sie sich auch einmal etwas Extravagantes geleistet, viel leicht sogar eine Dummheit begangen hät ten? Sie antworteten, dass Sie irgendwann beim Fliegen von der Holz- in die Busi ness- und First-Class gewechselt sind. Weil Sie danach frischer aus dem Flugzeug stei gen würden. Ja, auch ein Haus in den Ber gen hätten Sie, neben dem in Boca Raton,

erzählten Sie. Ihr Zuhause in Anhausen haben Sie dabei noch vergessen. Sie führen trotzdem keinen ausschwei fenden Lebensstil, Sie sind Schwabe geblieben, bodenständig. In der Regel in trovertiert. Sie sind keine Plaudertasche, kein Mann der vielen Worte. Sie würden heute noch in Anhausen leben, wo sogar ein Platz nach Ihnen benannt ist, hätten Sie nicht Vikki geheiratet, eine Amerikanerin. TOLLE BÜHNE ZUM ABSCHIED Ihr Abschied aus München passte zu Ihrer Karriere: In Deutschland wurde Fußball gespielt, dazu wurde durch Frankreich ge radelt und in Wimbledon wieder einmal Tennis gespielt. Das war den großen Tages- und Wochenzeitungen wichtiger als Golf,

Der Moment des Abschieds: Bernhard Langer am Freitag der 35. BMW International Open

OFFENER BRIEF Bernhard Langers „Bye bye“ bei der 35. BMW International Open war nur einer von unzäh- ligen Meilensteinen in der Karriere der Golflegende.

Über 36 Löcher folgten Ihnen die Zuschau er hartnäckig, waren ganz aus dem Häus chen, Sie noch einmal live zu verfolgen. Sie waren genauso überrascht wie berührt, weil Sie so viele Anhänger nicht erwartet hatten. Zwischendurch, sagten Sie später, hatten Sie sogar einen Kloß im Hals, Sie mussten schlucken. Die Stimme blieb Ihnen weg. Ihre Augen färbten sich rot. So sind Sie nun einmal: Einerseits gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen,

Von Reinhold Schnupp

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ieber Bernhard Langer, Sie haben Anfang Juli einen Abstecher nach München gemacht, um Abschied zu feiern: Bye bye,

Bernhard, von der Europäischen Tour, lautete vermutlich der (Arbeits-)Titel Ihrer Reise. Die Ankündigung, dass Sie nie mehr an der BMW International Open oder einem anderen Turnier der DP World Tour teilnehmen werden, hatte die Menschen mobilisiert: Schon vor Beginn der ersten Runde standen frühmorgens ein paar Tausend Zuschauer rund um das ers te Tee, um Ihren ersten Abschlag zu sehen.

Sensation: Zweimal gewann Bernhard Langer das Masters in Augusta (1985, 1993)

Weggefährten: Bernhard Langer und Bruder Erwin nach der Freitagsrunde in Eichenried

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