GOLF TIME 6-2016

DUMM UND DüMMER? SchEITErnS PrOTOkOLL dES

erneut sein stoisches Gemüt unter Beweis. Denn im Laufe der Finalrunde ereignete sich wieder eine Regelunstimmigkeit, als sich Johnsons Ball beim Ansprechen mit dem Putter minimal bewegte. Ein Platzrichter ent- schied, dass Johnson keinen Regelverstoß be- gangen habe, doch der Turnierausrichter, die USGA (Amerikanischer Golfverband), infor- mierte Johnson, dass er erst nach der Runde erfahren würde, ob er doch noch einen Straf- schlag erhalten würde. Johnson schaffte zuvor Tatsachen und kam mit drei Schlägen Vor- sprung ins Ziel, während sich die amerikani- schen Regelhüter ob ihrer Unfähigkeit, eine TV-Aufnahme innerhalb eines vernünftigen Zeitraums zu analysieren, lächerlich machten. Viele Experten und Kollegen prophe- zeien, dass Dustin Johnson nach seinem ersten Major-Sieg eine völlige neue Qualität errei- chen wird, da er nun befreit aufspielen kann. Colt Knost, einer seiner Kumpel auf der Tour, schwärmt: „Er wird mich wahrschein- lich töten, weil ich das sage, aber er wirkt immer ein wenig planlos. Doch er verfügt über mehr Talent als die meisten von uns. Er ist wirklich enorm begabt.“ Nur zwei Wochen nach dem Sieg in Oak- mont gewann Johnson auch das hochkarätig besetzte WGC-Bridgestone Invitational. Als neue Nummer 2 der Welt hinter dem Austra- lier Jason Day ist er nun der beste U.S.-Spieler in der Weltrangliste. Dank seines Talents und seiner Gabe, nega- tive Dinge schnell abhaken zu können, lebt Dustin Johnson auf dem Golfplatz immer im Augenblick. Sollte er zukünftig einen klaren Kopf behalten, wird er sich langfristig als einer der absoluten Top-Spieler etablieren – vielleicht sogar eine neue Ära der Golfdomi- nanz einläuten. GT 2010: In der Finalrunde der U.S. Open verhackte DJ auf dem zweiten Loch seinen Vorsprung von drei Schlägen wie ein Anfänger und kam mit einer 82 ins Club- haus. Bei der PGA Championship ignorierte Dustin einen Aushang in der Umkleide- kabine, der auf die besonderen Bunker auf der Anlage hinwies. Die beiden Straf- schläge kosteten ihn den Sieg. 2011: Bei der Open Championship 2011 semmelte er einen unnötig riskanten Eisenschlag ins Aus, der ihn seiner Sieg- chancen beraubte. 2015: Bei der U.S. Open 2015 machte er auf dem finalen Grün einen Dreiputt und fiel auf Rang 2 zurück.

HocHbegabT DJ ist mit 1,93 Metern Körper- größe und einer unglaublichen Athletik gesegnet

Wirklich erstaunlich war jedoch Johnsons Reaktion. Anstatt sich darüber aufzuregen, dass ihn so ein unscheinbares Dreckloch den Sieg gekostet hatte, blieb er ruhig und meinte nur lapidar: „Ich hätte den Driver stecken las- sen sollen.“ Und während die Golfwelt noch hitzig über die Entscheidung der Regelhüter diskutierte, macht DJ mit seinen Kumpels schon kräftig Party in Florida. „Das ist eben meine Mentalität“, sagt Johnson in einem Interview, während er an seinem Kautabak kaut. „Ich lass’ so Sachen nicht an mich ran. Das Leben ist zu kurz.“ In Chambers Bay 2015 saust sein Putt zum U.S. Open-Sieg am Loch vorbei und auch der Rückputt, der ein Stechen gegen Jordan Spieth bedeutete hätte, findet das Loch nicht. Doch nur wenige Wochen nach diesem Erlebnis, das wohl viele seiner Kollegen auf die Couch eines versierten Trauma-Thera- peuten befördert hätte, reflektiert DJ: „Es war enttäuschend, aber nicht schmerzhaft. Ich bin darüber weg.“ Der amerikanische Sport- journalist Rick Reilly scherzte einst über DJ: „Sein Spiel ist lang, sein Gedächtnis kurz.“ Bei 28 Major-Starts seit 2008 kam Dustin Johnson zehnmal unter die Top 10, bevor er bei der U.S. Open 2016 in Oakmont antrat. Auf dem geradezu grotesk langen (das längste Par-3-Loch maß 274 Meter) und zudem knackschweren Platz fühlte sich der Ameri- kaner pudelwohl. Denn eine seiner Super- heldeneigenschaften ist die Fähigkeit, mit dem Driver unglaublich lang (seit Johnson 2008 auf die Tour kam, war er immer unter den Top 4 der Longdriver), aber eben auch extrem genau schlagen zu können. „So ge- winnt man Golfturniere“, schwärmt Phil Mickelson über seinen Kollegen. In Oakmont drivte er den Ball durch- schnittlich nicht nur fast 20 Meter weiter als der nächstbeste Kollege im Feld, er rangierte auch in puncto Präzision auf Rang 11 in der Statistik. Mit drei Schlägen Vorsprung setzte sich DJ letztendlich durch und stellte dabei

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