GOLF TIME 6/2021
Die GOLF TIME Ausgabe 6/2021 als E-Paper, Erscheinungstermin 20.09.2021.
TRAINING TIPPS & TRICKS FÜR IHR SPIEL
24. JHG. | AUSGABE 6 | SEPTEMBER/OKTOBER 2021 € 6,90 | CHF 8,00 | IT € 8,90 | A, LUX € 6,90
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COMEBACK Wie der Tod seiner Tochter Mia das Leben von Camilo Villegas verändert hat
PORTRÄTS Golf Club Gut Apeldör Golf Club Würzburg
VORSCHAU Gelingt auch beim Ryder Cup die erfolgreiche Titelverteidigung?
ROBOTEST BÄLLE DIE NEUESTEN MODELLE AUF DEM PRÜFSTAND
CHALLENGE GEMEISTERT Vier Deutschsprachige unter den Top 10 bei der Big Green Egg German Challenge powered by VcG
WUNDER DAS VON
OHIO
FUN-TALK HOCKEY-ASS MORITZ FÜRSTE FOTO TIME LANGERS DOPPELTE 64 GOLF-LEGENDEN SAMUEL RYDER INTERVIEW MARCEL SIEM
SOLHEIM-CUP-FEST IM INVERNESS CLUB FÜR DAS AUSSENSEITER- TEAM AUS EUROPA
EDITOR’S INTRO
ERKENNTNIS Ja, sensationell: Wider Erwarten hat Europa den Solheim Cup auswärts gewonnen, die Titelverteidigung ist tatsächlich gelungen. Logisch, dass die Damen den Zuschlag für die Coverstory bekommen haben („Solheim Cup in Euro Hand“, ab Seite 20). So weit, so gut. Ich möchte aber ganz speziell auf unser Interview mit Leonie Harm aufmerksam machen, das alles andere als „harm-los“ ist. Sie kennen Leonie Harm nicht wirklich? Dann lesen Sie das exklusive Interview („Ich war so weit, gar nicht antreten zu wollen“, ab S. 36), in dem sie ganz ehrlich Alles andere als harm los
und offen das Dilemma eines Spitzengolfers beschreibt. Sie gesteht, „dass Leistungssportler zu sein der beste Beruf ist, wenn es gut läuft. Und wenn nicht? Eher weniger...“ Sicherlich eine Verharmlosung des bein- harten Golf-Business. Hinter dieser glasklaren Analyse verbirgt sich auch so viel Ehrlichkeit, dass sich jeder, der Ambitionen hat, Profisportler zu werden, dieses Interview unters Kopfkissen legen möge – es wird schon was hängenbleiben. Leonie Harm, 23, mehrmalige Deutsche Meisterin, Vierte der Amateur-Weltrangliste, Mitglied des Teams
„Klarer Vorwurf: Du kannst doch ein Major nicht einfach so sausen lassen! Klare Antwort: Mit einem gebrochenen Bein würde ich auch nicht spielen, nur weil es ein Major ist“
LEONIE HARM Selbstkritisch
Europa beim Junior Solheim Cup 2015 und mit dem Titel „Female Scholar Athlete of the Year 2018/19“ ausgezeichnet, wechselte 2020 ins Profilager und etablierte sich mit vier Top-Ten-Plazierungen in der Spitzengruppe der LET-Rangliste. Sie wurde auch als Kandidatin für das Solheim-Cup-Team gehandelt, doch – was geschah dann? Vor der Evian Championship, immerhin ein Major, war sie so weit, auf einen Start zu verzichten, „nur“ weil sie einfach nicht mehr wusste, „wie man Golf spielt“. Der allgemeine Tenor: Du kannst doch nicht ein Major einfach so sausen lassen. Leonie Harm: „Mit einem gebrochenen Bein würde ich auch nicht spielen, nur weil es ein Major ist.“ In diesem Zustand der Verzweif lung (13 Bälle auf der Proberunde verloren) spielte sie zwei Wochen später bei der Women’s Open einen – für sie selbst überraschenden – siebten Rang heraus. Aber lesen Sie selbst ... Wie hart das Brot im Leistungssport ist, dokumentiert auch der aktuelle Global Odds Index, der unter anderem besagt, dass die Chance, Golfprofi zu werden, in Deutschland 1 zu 109.995 steht („Time Out“, Seite 90). Kein leichtes Unterfangen.
OSKAR BRUNNTHALER Chefredakteur
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INHALT
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COVER 20 SOLHEIM CUP Unterlegen auf dem Papier, überlegen auf dem Platz – Team Europe verteidigt den Pokal. 28 RYDER CUP Wie Padraig Harrington sein Team auf den Ryder Cup in Whistling Straits vorbereitet. TURNIERE 24 SCHICKSALSSCHLAG Camilo Villegas erzählt, wie der Tod seiner Tochter Mia sein Leben verändert hat und wie es weitergehen soll. 30 GERMAN CHALLENGE Ein Blick zurück auf eine stimmungsvolle Rückkehr der Challenge Tour nach Deutschland. 36 SELTENER EINBLICK Leonie Harm spricht über ihren Erwartungsdruck, der ihr als Profisportlerin schwer zusetzt. 38 NEUES SETUP Der sportliche Aufschwung und die schwierige Zeit davor. Ein Gespräch mit Marcel Siem. 40 LONGHITTER Long Drive Champion Robin Horvath im Interview. AUSRÜSTUNG 42 NEW BALLS 15 Performance-Bälle im Test durch unseren Schwungroboter. 48 HEISSE EISEN Ping stellt die neuen i59 Blades vor, Titleist bringt vier neue T-Modelle auf den Markt. 50 WEDGE-NEUHEITEN Im Fokus steht die Schlagfläche. Die neuen Wedges von TaylorMade und Callaway Golf. SERIE 54 SAMUEL RYDER Wie der clevere Geschäftsmann der Golfwelt ihren spektakulärsten Wettbewerb schenkte.
20 SOLHEIM CUP Team Europa triumphiert in Ohio. Ein Blick zurück auf einen Vergleich, der es in sich hatte
RYDER CUP So will Captain Harrington den Ryder Cup mit nach Europa nehmen 28
STANDARDS 3 Editor’s Intro / 6 Foto-TIME / 8 Go ask ... Moritz Fürste / 10 Countdown | News / 18 Tweet it / 85 Cartoon / 88 Impressum / 90 TIME-OUT
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30 GERMAN CHALLENGE Die stimmungsvolle Rückkehr der Challenge Tour nach Deutschland
CLUBS 60 GUT APELDÖR Wie aus der Vision von
Inhaber Dieter Worms eine Erfolgsgeschichte wurde.
62 MERCEDES-BENZ AWGC Die beliebte Turnierserie geht in die heiße Phase.
64 WÜRZBURG Als Vorreiter für Naturschutz hat sich der „Leading Golf Club“ in puncto Nachhaltigkeit einen Namen gemacht.
66 SAMSONITE Ein Rückblick auf die ersten beiden Finalturniere im Wittelsbacher GC
38 MARCEL SIEM Über das neue Setup, den Aufschwung und die schwierige Zeit davor
36 LEONIE HARM Wie das Top-Talent mit Erwartungs- druck umgeht
sowie in den Schweizer Bergen, in Andermatt.
68 G UIDE FOR FREE GOLF Die restlichen
Sommer- und Urlaubstage voll ausnutzen.
70 REGELN Warum Don Jaly der perfekte Partner in Regelfragen ist. REISE 72 CARROSSA Das charmante 5-Sterne-Hotel ist ein echter Geheimtipp für den exklusiven Golfurlaub auf Mallorca. 74 G OLF TIME TOURS Mit unserem hauseigenen Reiseveranstalter auf Entdeckungsreise gehen. TRAINING 78 MARTIN KAYMER Der deutsche Major-Sieger gibt einen exklusiven Einblick in sein Spiel. 80 KRAFTQUELLE Jonathan Taylor erklärt eine Teilbewegung im Golfschwung, deren Potenzial viele Golfer gar nicht kennen. 83 MATTHIAS SCHWAB Der Tour-Pro berichtet über seine Erfahrung bei den Olympischen Spielen. 84 DR. HAID Warum viel Kraft im Schwung genau das Gegenteil des gewünschten Ergebnisses bewirkt. TEA TIME 86 HIGHLIGHTS Strahlende Gesichter beim Herman van Veen Charity Cup und dem Finale der MercedesTrophy am Öschberghof. 82 DR. DEHOUST Welchen Einfluss die Beweglichkeit des Schultergelenks auf die Qualität des Golfschwungs hat.
60 CLUBS Gut Apeldör, die Top-Adresse im Norden Deutschlands
72 REISE Carrossa gilt als der Geheimtipp auf Mallorca
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FOTO TIME
LANGERS MEILENSTEIN
Zu all den Bestmarken, die Bernhard Langer im Laufe seiner Karriere bereits gesammelt hat, kam bei der Ally Challenge eine weitere hinzu. Eine 64 zum 64. Geburtstag! Langer spielte an seinem Jubiläumstag erstmals sein Alter. Ein Er- lebnis, das „ich niemals vergessen werde“. So konnte der Deutsche auch verkraften, dass die folgenden Runden nicht ganz zu Sieg Nummer 42 auf der PGA Tour Champions reichte. Joe Durant triumphierte im Warwick Hills Golf and Country Club, Michigan, einen Schlag vor dem zweit- platzierten Deutschen. „45 Jahre lang als Profi auf der Tour spielen zu können, das ist ziemlich ungewöhnlich. Hinzu kommt, dass ich die meiste Zeit davon auch erfolg- reich war“, resümierte Langer. „Ich bin mir bewusst, dass ich sehr gesegnet bin. Ab und an muss ich mich kneifen.“ GT
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COUNTDOWN NEWS LEUTE HIGHLIGHTS
FUN-TALK Moritz Fürste gilt als einer der besten deutschen Hockeyspieler der Geschichte. Der zweimalige Goldmedaillen- Gewinner glänzt auch auf dem Golfplatz mit jeder Menge Power und Finesse.
GO ASK
MORITZ
Z weimal Gold und einmal Bronze bei den Olympischen Spielen, Welt- meister, zahlreiche große Titel auf Vereinsebene sowie die Auszeich- nung zum Welthockeyspieler 2012 – Moritz Fürste hat eine Laufbahn hingelegt, die ihresgleichen sucht. Nicht erst mit dem Ende seiner aktiven Feldhockey-Karriere hat sich der geborene Hamburger zudem einen Ruf als umtriebiger Unternehmer gemacht und die Liebe zumGolf- sport entdeckt. Wir treffen den 36-jährigen Laureus-Botschafter beim Deutschland- Finale der Mercedes Trophy im Öschberghof, wo er mit aggressivem Spiel und 300-Meter- Drives auffällt, zum Fun-Talk.
ZU GAST BEI DER MERCEDES TROPHY Hockey-Legende Moritz Fürste
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Dein Leben steht auf dem Spiel und es gilt, einen Downhill-Putt mit starkem Break aus drei Metern zu lochen. Du darfst den Putt nicht ausführen – wen wählst du für diese Aufgabe? Ich glaube, den muss ich in diesem Fall schon selber machen. Deine Top-3-Golfer (tot oder lebendig)? Tiger Woods, Jack Nicklaus und – weil ich glaube, dass er auch zur Legende wird – Collin Morikawa. Dein Lieblingsschläger im Bag? Der Driver. Das ist meine große Stärke auf dem Golfplatz. Dein emotionalster Moment als Hockey-Profi? Als ich völlig unerwartet gegen Ende meiner Laufbahn noch einmal mit meiner einstigen Jugendmannschaft, meinem Bruder, vielen alten Freunden zum ersten Mal in meiner Karriere Deutscher Meister geworden bin. Welcher Sieg bedeutet dir am meisten? Beim Hockey ganz klar die Olympischen Spiele, beim Golf habe ich noch nicht so viel gewonnen. Dein emotionalster Moment abseits des Platzes? Ganz klar, die Geburt meiner Kinder. Was ist deine erste Golf-Erinnerung? Die ist noch sehr präsent. Bei meinem ersten Kreuzbandriss habe ich während der Pause versucht, mir das Spiel auf dem Platz selbst beizubringen. Auf welchen Golfschlag bist du besonders stolz? Da fällt mir spontan der Schlag mit dem Driver aus dem Rough auf der Runde hier im Öschberghof gerade ein. Der Ball hat es aus 240 Metern fast bis aufs Grün geschafft. Gibt es Schwächen? Ja, bei allen anderen Schlägern.
Welchen Schlag würdest du gerne noch mal spielen? Unzählige Chips ums Grün.
Fisch, Fleisch oder vegetarisch? Fleisch.
Hund oder Katze? Hund.
Wir nehmen dich auf eine Faschings- party mit. Als was verkleidest du dich? Zunächst einmal ein Shoutout für den Begriff „Fasching“. Ich verkleide mich traditionell als etwas sehr Abgefahrenes, sodass mich niemand erkennt. Welche übernatürliche Kraft hättest du gerne? Viele sagen ja Fliegen, aber ich finde das unlogisch, weil Beamen ja auch geht und viel praktischer ist. Ansonsten wäre Unsichtbarsein auch noch cool. Welches Buch hast du zuletzt gelesen? Das war „Noise“ von Daniel Kahneman. Es geht um Verhaltenspsychologie. Konkret darum, welche Störgrößen Ent- scheidungen verzerren können. Das Schönste am Leben als Hockey-Pro? Ich habe viel von der Welt gesehen und tolle Menschen kennengelernt. Und die Schattenseiten? Der Verzicht. Und zwar in Bezug auf Freundschaften und Erlebnisse. Ich habe meine Abifeier verpasst, viele runde Geburtstage und war auch bei fast keiner Bachelor-Party meiner Freunde. Da verpasst man schon eine ganze Menge. Wenn du drei Spieler aus der Geschichte (tot oder lebendig, müssen nicht Golf spielen können) zu einer Runde einladen könntest, wer wäre das? Keine leichte Frage. Ich würde mich mal auf Sportler beziehen, das macht die Sache einfacher. Dann wären dabei: Tiger Woods, Roger Federer und Tom Brady. GT
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PGA TOUR MIT SCHWAB & JÄGER
Die neue PGA Tour-Saison startet mit zwei zusätzlichen deutsch- sprachigen Spielern. Der Öster reicher Matthias Schwab qualfi zierte sich bei den Korn Ferry Tour-Finals für die Top 25. Der gebürtige Münchener Stephan Jäger beendete die dieses Mal coronabedingt über zwei Jahre gehende Korn Ferry Tour-Saison als „Klassenbester“. Für den 32-jährigen Deutschen ist es die hochverdiente Rückkehr in die Eliteliga, wo er 2018 und 2019 schon zugegen war. Mit ins- gesamt sechs Siegen auf der Korn Ferry Tour hat der für sein formi- dables kurzes Spiel bekannte Exil- Deutsche ausreichend bewiesen,
PATRICK CANTLAY Der stets ein wenig phlegmatisch wirkende Amerikaner flog bislang trotz Spitzenergeb- nissen immer ein wenig unter dem Radar. Doch dann kam das zweite Turnier der diesjährigen FedEx Cup-Playoffs, die BMW Championship im Caves Valley Golf Club. Cantlay bot Muskelpaket Bryson DeChambeau, der den Platz mit seiner Power in alle Einzelteile zu zerlegen schien, stoisch ruhig Paroli und besiegte seinen Landsmann schließlich in spekta- kulärer Manier auf dem sechsten Extraloch. Die Fans entdeckten ihre Liebe für den 29-jährigen Kalifornier, der eiskalt, ohne auch nur einen Anflug von Nerven zu zeigen, einen Putt nach dem anderen lochte, und gaben ihm den Spitznamen „Patty Ice“. In der Woche darauf ging Cantlay als Führender in die Tour Championship, die den Abschluss der PGA Tour-Saison markierte. Während der vier Runden in East Lake stellte er seine Klasse erneut unter Beweis. Mit demWeltrang- listenersten Jon Rahm hatte „Patty Ice“ einen weite ren kongenialen Kontrahenten zu bekämpfen. Der Spanier warf alles in die Waagschale, doch am Ende behielt Patrick Cantlay wieder und wieder die Nerven und knackte als Sieger der Tour Championship den 15 Mio. Doller FedEx Cup-Jackpot.
dass er auch auf der PGA Tour das Zeug hat, ganz vorne mitzu- spielen. Nach Martin Kaymers Verlust der Karte ist Jäger in der nächsten Saison der einzige Deutsche mit einer vollen Spielberechtigung. Matthias Schwab wird aus österreichischer Sicht seinem Lands- mann Sepp Straka , der die Tourkarte souverän halten konnte, Gesellschaft leisten. „Ich habe damit mein wichtigstes Jahresziel erreicht“, jubelte der 26-jährige Schladminger. „Ab Ende September werde ich vorwiegend in den USA leben und spielen.“ In diesem Jahr wurde Justin Rose mit dem Award ausgezeichnet. „Ich fühle mich demütig und geehrt, durch diese Auszeich- nung mit dem bleibenden Ver- mächtnis von Payne Stewart in Verbindung gebracht zu werden“, sagte der 41-jährige Engländer, der die Trophäe während der Tour Championship überreicht bekam. „Ich bin für immer dank- bar, mit einem Mann verbunden zu sein, der auf und neben dem Golfplatz ein absoluter Profi war.“ AUSZEICHNUNG FÜR ROSE Matthias Schwab kam über die Finals, Stephan Jäger Nummer 1 der KFT Der Payne Stewart Award wird jährlich von der PGA Tour an einen professionellen Golfer verliehen, der Stewarts uner- schütterliche Werte wie Cha- rakter, Wohltätigkeit und Sportlichkeit am besten verkörpert.
SIEGFORMEL: PATRICK CANTLAY (TOUR CHAMPIONSHIP)
21 unter Par
18 Birdies 67,25 Rundenschnitt
15,000,000 Dollar Preisgeld
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WAS MACHT EIGENTLICH... PAUL AZINGER?
strahlung in Kalifornien. Er schrieb ein Buch mit dem Titel „Zinger“ über seinen Kampf gegen die lebensbedrohende Krankheit. Azinger ist übrigens ein begeisterter Poker- spieler und nahm sowohl 2006 als auch 2008 am Main Event der World Series of Poker teil. 2008 war überhaupt ein bedeutendes Jahr, führte er als Ryder-Cup-Kapitän doch das US-Team im Valhalla Golf Club zum ersten Sieg über die Europäer seit 1999. Der Sieg des Teams wurde weitgehend seiner innova- tiven Strategie zugeschrieben.
Genau vor 30 Jahren ging in Kiawah Island die 29. Auflage des Ryder Cup als „War on the Shore“ in die Annalen ein. Die Haupt- Protagonisten waren damals aufseiten der Europäer Seve Ballesteros und bei den Amerikanern Paul Azinger . Der damals 31-jährige Hüne, geboren in Hoylake, Massachusetts, scheute sich nicht davor, mit der spanischen Golflegende ein paar Sträuße auszufechten. Seve hörte man später einmal sagen: „Das amerikanische Team besteht aus elf netten Jungs – und Paul Azinger.“ 1991 hatten die Amerikaner schließlich das bessere Ende für sich. Unvergessen bleibt dabei der verschobene Putt von Deutsch- lands Golf-Pionier Bernhard Langer . Für Paul Azinger war es auf Team-Ebene einer der größten Triumphe seiner Karriere. In sieben Saisons von 1987 bis 1993 ge- wann „Zinger“ elf Turniere auf der PGA Tour. Das Highlight war dabei der Gewinn seines einzigen Majors, der PGA Championship 1993 in Inverness. Im Dezember 1993 wurde bei Azinger ein Non-Hodgkin-Lymphom in seiner rechten Schulter diagnostiziert. Seine Behandlung umfasste sechs Monate
Nelly Korda DREI FRAGEN AN…
Wie ist es, mit deiner Schwester Jessica auf der Tour zu spielen und so viele Er- fahrungen miteinander teilen zu können? Jess ist die beste große Schwester. Sie ist die selbstloseste Person, die ich kenne. Sie ist fünf Jahre älter und hat mich in die Gepflogenheiten des professionellen Golfens eingeführt. Ich hatte großes Glück, weil viele Leute diese Gelegenheit nicht bekommen. Wenn ich Probleme habe, ist sie immer für mich da. Der Erfolg, den deine Familie in verschie- denen Sportarten hatte, ist erstaunlich. Kannst du das, was du, Deine Familie und deine Geschwister erreicht haben, in einen Kontext setzen? Ehrlich gesagt, merkt man es erst, wenn jemand wirklich darüber spricht, weil wir immer in „the zone“ sind und nur danach streben, noch mehr zu erreichen. Seb ist die Top 50 der Welt imTennis. Er spielte dieses Jahr inWimbledon. Es ist so surreal. Und Jess hat auch dieses Jahr gewonnen. Es wird einem erst bewusst, wenn es jemand erwähnt, und dann denkt man: „Oh, wow, ja, das ist wirklich cool.“ Woher kommt dieser Antrieb? Ich denke, wir pushen uns als Familie gegenseitig. Jedes Mal, wenn ich etwa gegen meinen Vater spiele – und er spielt so gut wie überhaupt kein Golf – will er, dass es umGeld geht. Er weiß immer, wie man bei mir die richtigen Knöpfe drückt. Ich gewinne dann meist mit 1-auf, aber wir versuchen immer, uns gegenseitig besser zu machen. Die Olympiasiegerin und Weltranglisten erste Nelly Korda über die Bedeutung und den Einfluss der Familie.
Seit 2005 ist der Ame- rikaner als Golf-Ex- perte im Fernsehen eine fixe Größe. Bis 2015 arbeitete Azinger als leitender Analyst für die Golfbericht- erstattung von ESPN
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und ABC Sports. Nachdem diese die Rechte sowohl an der U.S. Open als auch an der Open Championship an Fox und NBC verloren hatten, kam Azinger 2016 als leitender Golfanalyst zu Fox Sports. Im Ok- tober 2018 ernannten NBC Sports und Golf Channel Azinger zu ihrem leitenden Golf analysten, der damit die Nachfolge des legendären Johnny Miller antrat.
Chemotherapie und fünf Wochen Be-
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TOPS
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FLOPS
Tony Finau zeigte es allen Kritikern und holte bei den Northern Trust Open nach einer fünfjährigen Durststrecke end- lich wieder einen Sieg auf der PGA Tour. Acht zweite Plätze und elf dritte Plätze verbuchte der Amerikaner, bevor er nun endlich seinen zweiten Karriere- Titel auf der PGA Tour holte. „Es hat sich gelohnt, so lange zu warten“, so der 31-Jährige.
Die verkorkste Saison von Rickie Fowler endete standesgemäß mit einem verpassten Cut bei der Wyndham Championship. Damit verpasste er als 130. im FedEx Cup erstmals in seiner Karriere die Playoffs. Der fünf- fache PGA Tour-Titelträger darf sich glücklich schätzen, dank des Sieges beim Players 2015 nicht die Tourkarte verloren zu haben. Diese läuft erst in der Saison 2022/23 aus.
Rasmus Højgaard (li.) folgte Zwillingsbruder Nicolai (re.) als ET-Sieger
DOPPELSCHLAG DER HØJGAARD TWINS Zwei verschiedene Wochen auf der European Tour. Zwei Mal das- selbe Siegergesicht. Und dennoch zwei unterschiedliche Gewinner. Denn nur eine Woche, nachdem Rasmus Højgaard das Omega European Masters im schweizerischen Crans-Montana für sich entscheiden konnte, legte der eineiige Zwillingsbruder des Dänen, Nicolai Højgaard , bei den DS Automobiles Italian Open nach. Auf dem komplett überarbeiteten Ryder-Cup-Platz von 2023 vor den Toren Roms krönte sich Nicolai Højgaard mit 20 Jahren zum jüngsten Sieger der Italian Open. Und ein weiterer Rekord ist natürlich, dass Brüder (geschweige denn Zwillinge) nacheinander auf der European Tour, während sein Bruder Rasmus in so kurzer Zeit bereits auf drei Titel zurückblicken kann. Bahnt sich da gar eine schlagkräftige Paarung für zukünftige Ryder Cups an? GEDULD ZAHLT SICH AUS 5 ein Turnier der European Tour gewinnen konnten. Für Nicolai Højgaard war es der erste Triumph
Bei ihrem 228. Start auf der LPGA Tour gelang Ryann O’Toole bei den Women’s Scot- tish Open endlich der erste Sieg. Die 34-jährige Amerika nerin dachte schon daran, ihre Karriere zu beenden, umso glücklicher war sie ob des Sieges. „Ich stehe komplett unter Schock“, freute sich O’Toole, deren Verlobte Gina Marra sie auf dem 18. Grün jubelnd in die Arme nahm.
„Man soll den Bären nicht rei- zen“, lautet ein Sprichwort. Diese Lektion hat wohl auch Harry Higgs gelernt, nachdem er Alt- meister Phil Mickelson keck zu einem Match herausforderte. Dieses fand im Liberty National Golf Club statt. Mickelson be- siegte gemeinsam mit Partner Joel Dahmen Higgs und seinen Partner Keith Mitchell mit 3&1. „Ich hatte eine große Klappe und ein Hall of Famer hat mich in meine Schranken verwiesen“, gab sich Higgs danach kleinlaut.
Bei der AIG Women’s Open im ungewohnt sonnigen Carnoustie war die 34-jährige Schwedin, die auch als Anführerin des euro päischen Solheim Cup-Teams galt, eine Klasse für sich und holte mit 12-unter-Par den Titel. Nach ihrem Sieg feierte Nordqvist mit ihrem schottischen Ehe- mann Kevin McAlpine , der aus dem nahe gelegenen Dundee stammt. Die beiden gaben sich im Frühjahr 2021 das Ja-Wort. Die große Hochzeitsfeier soll auf- grund von Corona 2022 nach- geholt werden. Anna wird auch hier mit Sicherheit ihre Geduld unter Beweis stellen!
Open-Champion Nordqvist
Jordan Spieth und seine Frau Annie erwarten ihr erstes gemeinsames Kind am 21. November, bestätigte der 28-Jährige während der Tour Championship. „Wir wollten es nicht verheimlichen oder so, es ist halt Privatsache“, sagte Spieth. „Ja, sehr aufgeregt. Sie fühlt sich großartig, das ist die Priorität Nr. 1, und alles läuft reibungslos.“
Women’s PGA, acht Jahre Pause, Evian Championship, vier Jahre Durststrecke und jetzt: Women’s Open-Siegerin 2021. Anna Nord- qvist hat im Laufe ihrer Karriere gelernt, dass Golf Geduld erfor- dert. Was die nun dreimalige Major-Siegerin antreibt? „Ich hasse verlieren mehr, als ich gewinnen mag.”
Patrick Reed musste mit einer doppelten Lungenentzündung ins Krankenhaus und fürchtete dabei sogar um sein Leben. Bei der Tour Championship kehrte er auf die Tour zurück. Auf die Frage, ob bei ihm COVID-19 diagnostiziert wurde, sagte Reed: „Sie haben mich nie getestet. Ich weiß es nicht.“
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SPENDENFREUDIG
JÜNGSTE SIEGER AUF DER PGA TOUR (SEIT 1990)
Die Spendenaktion „Hands On!“ zugunsten der von der Hochwasser- Katastrophe betroffenen Menschen hat deutschlandweit zahlreiche Unterstützer gefunden. Gut 50 Golfclubs, Unternehmen und Orga- nisationen aus der Golfbranche, da- runter auch der GMVD, haben mit vielen Aktionen und Ideen Geld- spenden in Höhe von über 100.000 Euro für die Initiative zugunsten des Round Table 168 Daun , der Betroffenen in den Kreisen Vulkan-
eifel und Adenau helfen wird, er- zielt. „Wir sind unglaublich dank- bar, dass so viele aktiv gespendet haben und sich solidarisch mit den zahllosen betroffenen Mitbürgern zeigen, die unverschuldet vor den Trümmern ihrer Häuser und Be- triebe stehen. Mit so einer derart großen Unterstützung bei deut- schen Golfclubs und Unternehmen aus der Golfbranche hätten wir nicht gerechnet“, sagte GMVD-Vize- präsident Marc Frederik Elsäßer .
FREUDENTÄNZE
19 JAHRE, 11 MONATE, 17 TAGE (2013 JOHN DEERE CLASSIC) 1. JORDAN SPIETH
Auch die zweite Auflage der Dross&Schaffer Schäfflertanz Inter- national Open im Golfclub München Valley war hochkarätig besetzt und bot Golf auf internationalem Top-Niveau. Die Siegerpokale sicherten sich nach 54 Löchern Helen Briem vom Stuttgarter Golf- Club Solitude und Tim Wiedemeyer vom Münchener GC. Dass das Event schon jetzt hohes Ansehen genießt, zeigt neben den gut besetzten Teilnehmerfeldern und den zahlreichen Zuschauern unter anderem auch die Anwesenheit der beiden Bundestrainer Christoph Herrmann (Jungen)
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20 JAHRE, 6 MONATE, 28 TAGE (1991 NORTHERN TELECOM OPEN) 3. PHIL MICKELSON
20 JAHRE, 2 MONATE, 23 TAGE (2019 3M OPEN) 2. MATTHEW WOLFF
und Sebastian Rühl (Mädchen). Sie besuchten das Turnier von Veranstalter Danny Wilde in Valley und begleiteten dabei ihre Nationalspieler und Mitglieder des Golf Team Germany.
20 JAHRE, 9 MONATE, 6 TAGE (1996 LAS VEGAS INVITATIONAL) 4. TIGER WOODS
20 JAHRE, 10 MONATE, 8 TAGE (2020 THE GREENBRIER) 5. JOAQUIN NIEMANN
Helen Briem und Tim Wiedemeyer triumphieren im GC München Valley
REKORD-VERSTEIGERUNG Das Auk tionshaus Golden Age Golf Auctions bot jüngst ein Backup-Modell des renommierten Scotty Cameron- Putters von Tiger Woods zum Ver- kauf an, den dieser in der Saison 2002 zur Verfügung hatte. Der Put- ter wechselte für 393.000 US-Dollar den Besitzer und ist damit wohl der teuerste Golfschläger, der jemals verkauft wurde.
LANGE DRIVES Muskelpaket und Longhitter Bryson DeChambeau will sich mit den Längsten der Welt messen und tritt in der Woche nach dem Ryder Cup bei der Long Drive World Championship in Mesquite, Nevada, an. „Ich möchte der Welt zeigen, wie unglaublich talentiert und hart arbeitend diese Athleten sind“, freut sich DeChambeau auf die Herausforderung.
AUS FÜR „BROOKSIE“? Bryson DeChambeau und Brooks Koepka sind bekanntermaßen nicht die bes- ten Freunde. Die Sticheleien der Fans, die Bryson „Brooksie” rufen, sollen nun ein Ende haben. „Für mich ist das respektlos und nicht mehr tolerier- bar“, deutete PGA-Tour-Commis- sioner Jay Monahan an, dass es bei weiteren Vorfällen zum Verweis von der Anlage kommen könne.
FRUST-ABBAU Rory McIlroy erzähl- te, dass er am Ende einer glanzlosen Vorstellung bei den Northern Trust Open sein 3er-Holz auf den New Jersey Turnpike geworfen aber wenn jemand ein 3er-Holz holen will, in den Bäumen ist irgendwo eins.“ 3 hätte. „Die Straße habe ich wohl nicht erreicht,
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Freude über Nachwuchs, Trauer über den Verlust der Partnerin und ein überstolzer Olympiasieger-Vater – die Höhepunkte aus den sozialen Medien. TWEET IT!
Der zweifache Major- Champion Martin Kaymer wird Vater. Seine Freundin, die Fitnesstrainerin Irene Scholz, freute sich via Instagram „über unsere gemeinsame Reise“.
Im Vorfeld zur BMW PGA Championship in Wentworth luden Justin Rose und Popstar Niall Horan zur dritten Auflage ihres Charity-Events „Horan & Rose“.
Österreichs PGA Tour-Ass Sepp Straka feiert Hochzeit mit Freundin Katie im Shoal Creek Club in Birmingham, Alabama.
Der deutsche Vater von Golf-Olympiasieger Xander Schauffele posierte stolz am Pool mit der Goldmedaille seines Sohnes. Und Stefan Schauffele kün digte an, dass er sie ihm vielleicht gar nicht mehr zurückgeben wird.
Golflegende Gary Player trauert um seine Frau Vivienne, die den Kampf gegen den Bauchspeichel- drüsenkrebs verlor. Der Süd- afrikaner war 64 Jahre mit seiner Frau verheiratet.
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Kanadas LPGA-Proette Brooke Henderson feierte ihren 24. Geburtstag an ihrem liebsten Ort: auf dem Pferd reitend in der Little Rock Farm.
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TRIUMPF Ausgelassene Freude in Blau-Gold. Team Europe unter der Leitung von Kapitänin Catriona Matthew verteidigt auf US-Boden erfolgreich den Solheim Cup
SOLHEIM CUP
IN EURO
HAND
ERFOLGREICHE TITELVERTEIDIGUNG Vor Tausenden US-Fans behielten die auf dem Papier als Außenseiterinnen gehandelten Europäerinnen in Toledo, Ohio, die Nerven und brachten, angeführt von Kapitänin Catriona Matthew, den Solheim Cup siegreich zurück über den Atlantik.
Von Markus Scheck und Thomas Fischbacher
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D ie Favoritenrolle vor dem diesjähri- gen Solheim Cup im Inverness Club in Toledo, Ohio, lag klar bei den Gastgebern aus USA. Erst einmal in der Geschichte, 2013 in Colorado, konnte das europäische Team auf US-Boden gewinnen. Mit der frisch gebackenen Women’s Open- Siegerin Anna Nordqvist (Platz 15) rangierte lediglich eine einzige Europäerin in den Top 25 der Damen-Weltrangliste. Team USA konnte dagegen mit Nelly Korda auf die unangefochtene Nummer eins im Damen- golf zurückgreifen und präsentierte zudem fünf weitere Spielerinnen mit Top-25-Status. Der ohnehin gewaltige Heimvorteil des aus- tragenden Teams wurde in diesem Jahr noch verstärkt, da aufgrund der Corona-Einreise- beschränkungen praktisch keine europäischen Fans vor Ort waren und so die Kulisse ganz in die Farben Blau-Weiß-Rot gehüllt war. AUFTAKT NACH MASS Doch irgendwie spürte man von Anbeginn, dass das titelverteidigende Team aus Europa eine realistische Chance hatte, die Sensation zu schaffen. Kapitänin Catriona Matthew, die schon vor zwei Jahren das Euro-Team
im schottischen Gleneagles zum Sieg führte, setzte auf bewährte Kräfte und mischte sie mit jungen, hungrigen Rookies. Die erste Ses- sion am Eröffnungssamstag gab dann gleich treffend den Takt vor. Mit 3,5 zu 0,5 Punkten im Format Klassischer Vierer düpierten die Europäerinnen das von Pat Hurst angeführte US-Team. Konsterniert bliesen diese am Nachmittag zum Gegenangriff, wobei es, wie schon so oft beim Solheim Cup, wieder ein- mal zu einer unnötigen Regeldiskussion kam. REGEL-KONTROVERSE In der Begegnung von Nelly Korda und Ally Ewing gegen Madelene Sagstrom und Nanna Koerstz Madsen puttete die Weltranglisten erste auf Loch 13 beim Stand von all square zum Eagle und Lochgewinn für das Team Vereinigte Staaten. Ihr Putt kam Millimeter vor dem Loch zum Liegen. Während Korda enttäuscht in die Knie ging, nahm Sagstrom den Ball auf und warf ihn ihrer Kontrahentin zu. Das Loch war scheinbar mit Birdie geteilt. Doch dann mischte sich die Schiedsrichte- rin ein. Missy Jones stufte Sagstroms voreili- ges Aufnehmen als regelwidrig ein. In ihren Augen befand sich der Ball so nahe am Loch,
dass er als „an der Kante hängend“ definiert war. Was bedeutet: Korda hätten zehn Sekun- den Wartezeit zugestanden, in denen der Ball noch die Chance gehabt hätte, zum Eagle zu fallen. Sagstrom nahm den Ball vor Ablauf dieser Zeit auf. Nach kurzer Analyse stand fest: Sagstrom hatte gegen Regel 13.3a ver- stoßen. Fazit: Kordas Putt galt als gelocht, das Loch ging an Team USA, die so die Führung übernahmen. Nach Studium der TV-Bilder und Rück- sprache mit weiteren Regelhütern erklärte Jones nach der Partie: „Mein Eingriff war absolut konform, eine ganz eindeutige Ent- scheidung.“ Die LPGA Tour gab später noch eine Erklärung ab, in der es hieß, dass
AUTSCH Das ging ins Auge. Nelly Korda und Ally Ewing konnten Team USA nicht vor der Niederlage bewahren
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Am Ende wurden es sechs Punkte. Unter dem Strich stand ein 15:13-Sieg, der zweite Aus- wärtserfolg des europäischen Teams im seit 1990 ausgetragenen Vergleich zwischen den besten Proetten Europas und denen der USA. MAGUIRE SPIELT GROSS AUF Doch alles der Reihe nach: Die Europäerin- nen starteten gut in den Finaltag und gin- gen früh in Führung. Rookie Leona Maguire lieferte ein überragendes Match gegen Jenni- fer Kupcho ab und gewann 5&4. Die Irin holte insgesamt 4,5 von 5 möglichen Punkten. Ein weiterer Punkt für Europa folgte kurz darauf, als Madelene Sagstrom mit 3&2 gegen Ally Ewing siegte. Wenige Minuten später sah es nach einer klaren Sache aus, als die Französin Céline Boutier die Ausgangslage mit einem 5&4-Sieg über Mina Harigae verbesserte. Auch am Finaltag gingen einige Matches bis auf die 18. Gleich imwichtigen, ersten Spiel holten Anna Nordqvist und Lexi Thompson jeweils einen halben Punkt für ihre Teams. Danach begann die große Aufholjagd von Team USA, als zunächst Nelly Korda mit einem 1-auf-Sieg über Georgia Hall einen Punkt zurückholte, während Nanna Koerstz Madsen und Austin Ernst ihr Match teilten. SOPHIA POPOV GLÜCKLOS Die Amerikanerinnen holten zwei weitere Punkte, als Megan Khang und Brittany Alto mare Sophia Popov und Carlota Ciganda be- siegten. Popov gelang es leider auch in ihrer dritten Partie nicht, etwas Zählbares mitzu- nehmen. Es hatte sich in den letzten Wochen schon ein wenig angedeutet, als die Form- kurve bei der einzigen deutschen Teilneh- merin deutlich nach unten ging. Im Mai stand sie noch beim LPGA Match Play im Finale und zeigte, dass sie auch im Lochspiel für Furore sorgen kann. Danach ging aber nicht mehr viel. Unter dem Strich steht für Popov ein Sieg mit dem Team, allerdings mit dem Bei- geschmack, in drei Partien keinen einzigen
Matilda Castren macht den Sack zu. Leona Maguire beeindruckt bei ihrem Debüt. Sophia Popov gewinnt mit dem Team. Enttäuschte Amerikanerinnen
einer Führung von 5,5 zu 2,5 ging. Da stellte man sich unweigerlich die Frage: „War es wirklich nötig, diese Partie mit einem Video beweis von außen zu beeinf lussen? Auf der größtmöglichen Bühne des Damengolfs ein Thema aufzumachen, das bei den Spielerin- nen auf dem Platz keines war?“ EUROPA HÄLT VORSPRUNG Tags darauf beruhigten sich die Gemüter aber wieder und die Amerikanerinnen versuchten in den beiden Sonntag-Vierer-Sessions den Rückstand aufzuholen. Doch Team Europe hielt weiterhin stark dagegen und so lautete vor den zwölf abschließenden Single-Matches der Score 9 zu 7 für Europa. Damit war klar, dass für das Team von US-Kapitänin Pat Hurst am amerikanischen Labor-Day-Montag ein regelrechter Kraftakt vonnöten war. Team Europa benötigte im Gegensatz dazu „nur“ fünf Punkte aus den zwölf Einzeln, um den Pokal erneut mit nach Europa zu neh- men und 5,5 Punkte, um ihn zu gewinnen.
sämtliche beteiligten Offiziellen der Meinung waren, dass Kordas Putt über die Kante hinausragte. TRÄNEN BEI DEN INTERVIEWS Am Ende der Partie gab es einen äußerst dezent bejubelten und tränenreichen Sieg der Amerikanerinnen. „Ich hoffe, sie nehmen uns das nicht übel“, kommentierte Korda schluchzend und stellte klar, dass weder sie, ihre Spielpartnerin Ewing noch die Caddies etwas mit dem Ruling zu tun hatten. Sagstrom schätzte die Lage wie folgt ein: „Natürlich habe ich mich nicht an die Regel gehalten, den Ball zehn Sekunden liegen zu lassen, aber ich glaube an die Integrität und die Ehre des Golfspiels, und ich würde niemals einen Ball aufheben, der die Chance hatte, noch ins Loch zu gehen. Es fühlt sich an, als hätte ich mein Team hängen lassen, das ist wirklich kein schönes Gefühl.“ Es war eine unschöne Szene eines spekta- kulären Golftages, aus dem Team Europa mit
CHARLEY HULL Die Engländerin spielte bereits zum fünften Mal beim Solheim Cup mit und steuerte in dieser Zeit 12,5 europäische Punkte bei. Zwei davon wanderten in Ohio auf das Konto. Trotz ihrer Niederlage im Einzel gegen Jessica Korda steht Hull wie kaum eine andere Spielerin für den europäi- schen Aufschwung beim Solheim Cup in den vergangenen Jahren.
NANNA KOERSTZ MADSEN Eine von drei Rookies, die von
MEL REID Mit 33 Jahren hat sie jede Menge Erfahrung und unterstützte ihr Team vor zwei Jahren als Vize-Kapi- tänin. Nun zurück in guter Verfassung und wieder ein wichtiger Bestandteil. Sicherte Europa 2,5 Punkte in den Team-Wettbewerben, erlebte in ihrem Einzel gegen Yealimi Noh einen Horrorstart (4 down nach 4). Doch Reid kämpfte sich, wie so oft, zurück und verlor erst am Ende auf der 18.
EMILY KRISTINE PEDERSEN Gewann ihr Match gegen Danielle Kang mit einem Birdie auf der 18, als Europa den Pokal bereits sicher hatte. Küsste nach der Partie den gegnerischen Caddie. Ein Versehen? Nein, denn Olly Brett unterstützt Kang auf dem Platz, ist aber Pedersens Freund. Hatte 2017 keinen guten Start in ihre Solheim-Cup- Laufbahn, verlor alle Matches. Schlüpfte vier Jahre später in eine Führungsrolle.
Catriona Matthew via Extraeinla- dung zum Kader stießen. Im Nach- hinein muss man sagen, dass die schottische Kapitänin ein wahrlich glückliches Händchen bewiesen hat. Denn auch die Dänin lieferte aus drei Partien 1,5 wichtige Punkte. Teilte die Partie gegen Austin Ernst in einer Phase des Aufwinds der USA.
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nach der 15 wusste ich, dass wir gewonnen hatten und ich wollte mit dem Team feiern, also musste ich mich erst einmal sammeln. Es hat sich wirklich gut angefühlt, den letzten Putt zu lochen“, sagte Pedersen. STOLZE KAPITÄNIN VERKÜNDET ABSCHIED „Ich bin so stolz auf dieses Team“, bilanzierte Team-Kapitänin Catriona Matthew. „Am Ende des Tages mache ich keine Schläge. Es liegt wirklich an den Spielerinnen. Sie sind diejenigen, die denSieg errungenhaben. Ihnen gebührt die ganze Anerkennung, also Danke, Team. Ihr habt mich gut aussehen lassen.“ Nie zuvor war es einer europäischen Team-Kapi- tänin gelungen, zwei Mal in Folge zu gewin- nen. „Es war wirklich nervenaufreibend, die- se letzten Spiele zu verfolgen. Wenn man am Rand steht, kann man ja nichts tun.“ Neun Mal war die 52-jährige Schottin als Spielerin beim Solheim Cup dabei, nun zwei Mal in Folge erfolgreich als Kapitänin. Kurz nach dem Sieg in Ohio machte Matthew aber klar, dass sie nicht noch einmal für das Kapi- tänsamt zur Verfügung stehen wird. „Das ist jetzt jemand anderem überlassen“, erklärte sie. „Wir haben so viele gute ehemalige Spiele- rinnen, und ich denke, jede hat ihre Chance verdient, einmal Kapitänin zu sein.“ GT
Punkt beigesteuert zu haben. Dennoch fiel ihr Fazit beim Solheim-Cup-Debüt positiv aus: „Mein Traum wurde schon wahr, als ich die Women’s Open gewann. Davor hätte ich nicht in einer Million Jahren gedacht, dass ich einmal hier stehen und mit all diesen tollen Mädchen abschlagen würde. Jede von uns hat so hart gekämpft und das macht unser Team aus. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich dabei bin.“ CASTREN UND PEDERSEN MACHEN DEN SACK ZU Als sich die Lage immer mehr zuspitzte, kam der große Auftritt von Matilda Castren. Die Finnin, die sich erst in letzter Minute in das Team spielte, schaffte es mit einem exzel- lenten Up-and-Down aus dem Bunker, den wichtigen 14. Punkt gegen Lizette Salas zu holen. „Es war so cool, das ganze Team dort zu haben, die blauen und gelben Farben zu sehen und die Leute jubeln zu lassen“, erklärte Castren. „Ich wusste, dass dieser Putt wich- tig war, aber ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht genau, wie der Spielstand war. Ich wuss- te nur, dass ich ihn machen musste.“ Nach der 14:11-Führung der Europäerin- nen holten die Amerikanerinnen zwei wei- tere Punkte, Yealimi Noh und Jessica Korda
besiegten Mel Reid und Charley Hull, bevor Emily Kristine Pedersen im letzten Match den Euro-Triumph besiegelte. Drei Löcher vor Schluss lag die Dänin mit 3 auf in Führung, doch ihre Gegnerin Danielle Kang kämpfte sich zurück, brachte das Match bis zur 18 und lochte dort sogar zum Birdie. Doch auch Pedersen verwandelte zum Birdie und sicherte so den 15. Punkt für ihr Team. „Es war ein ziemlicher Kampf, denn CATRIONA MATTHEW Die Euro-Kapitänin über- gibt nach zwei gewonnenen Solheim Cups das Zepter an eine (noch unbekannte) Nachfolgerin
MATILDA CASTREN Die erste finnische Siegerin auf der LPGA Tour qualifizierte sich via Heimsieg für den Solheim Cup. Holte zwei von drei Punkten in den Teamformaten und traf im Einzel auf die unbequeme Lizette Salas. Geriet als Rookie in die Rolle der Protagonistin, da sie ihrem Team den entscheidenden 14. Punkt sicherte. Und das mit einem Par-Save aus Spiegelei-Lage. Verlor erst im Interview auf dem Grün ein wenig den Faden.
LEONA MAGUIRE Die erste irische Spielerin in der Geschichte des Solheim Cup bilanzierte nach zwei Punkten an Tag eins, dass sie das Lochspiel liebe. Am nächsten Morgen verprügelte sie an der Seite von Mel Reid die Weltrang- listenerste Nelly Korda mit ihrer Part- nerin Ally Ewing. Endergebnis: 5&4. Bekam es im Einzel dann mit Jennifer Kupcho zu tun. Endergebnis: 5&4. 3,5 von vier möglichen Punkten. Was für ein Auftritt!
CÉLINE BOUTIER Zwei Einsätze vor den Einzeln für die Französin, die vor zwei Jahren in Gleneagles einen erheblichen Anteil am euro- päischen Erfolg hatte. Ein halber Punkt sprang heraus an der Seite von Georgia Hall im Auftakt- Foursome. Spielte am Montag 14 Löcher ohne Bogey und hatte dann schon Feierabend. Kontrahentin Mina Harrigae kam mit 5&4 unter die Räder.
MADELENE SAGSTROM Nahm am Samstag einen Ball auf, dessen Cliffhanger-Potenzial sie unterschätzt hatte. Sorgte mit diesem vermeint lichen Formfehler für einen amerika- nischen Lochgewinn via Videobeweis, verlor die Begegnung und weinte bitterlich. Punktlos in jeweils einer Fourball- und Foursome-Partie. Mit einem starken Endspurt folgte das Happy End im Einzel (3&2) gegen Ally Ewing.
CARLOTA CIGANDA Bekam es mit Brittany Altomare zu tun und lange sah es so aus, als würde die Spanierin einen Punkt für ihr Team sammeln können. Zögerte beim Abschlag auf der 16 lange und feuerte ihren Ball nach langer Analyse weit neben das Grün des angreifbaren Par 4. Das resultierende Bogey war der Anfang vom Ende. Holte am Sonntag einen wichtigen Punkt an der Seite von Nanna Koerstz Madsen.
SOPHIA POPOV Zeigte als nominell drittbeste Europäerin bereits auf der LPGA Tour im Mai, dass sie auch im Lochspiel fähig ist, für Furore zu sor- gen. Konnte aber in drei Partien keinen Punkt zum Sieg des Teams beisteuern. Kam im Einzel gegen Khang zunächst unter die Räder und lag nach zwölf Löchern dormie. Schaffte es dann immerhin noch auf die 16. Spielte bei beiden Fourballs solides Golf.
GEORGIA HALL Mit 25 bereits mit einer Menge Erfahrung beim Sol- heim Cup ausgestattet. War bereits 2017 und ’19 am Start, bei letzterer Austragung in Gleneagles sorgte sie für Furore, als sie vier von vier möglichen Punkten einsammeln konnte. In Ohio wurden es 1,5 von vier. Aber gegen Nelly Korda, die Nummer eins der Welt, kann man schon Mal ein Einzel verlieren.
ANNA NORDQVIST Gewann kurz vor dem Solheim Cup ein Major und Team-Kapitänin Catriona Matthew beschloss, die erfahrene Schwedin als Führungsspielerin ins Rennen zu schicken. Lieferte zwei Punkte am Samstag und teilte ein hochklassiges Eröffnungs-Match gegen eine furchtbar böse drein- blickende Lexi Thompson. Wurde ihrer Führungsrolle gerecht.
GOLF TIME | 6-2021 23
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Mia on my mind
CAMILO VILLEGAS Der Kolumbianer, ehemals die Nummer 7 der Welt, ist nach langer Pause zurück auf der Tour. Im Interview erzählt der 39-Jährige, wie der Tod seiner Tochter Mia sein Leben verändert hat und welche Ziele er sich als Golfer für die Zukunft setzt.
Von Peter Eggenberger & Marcus Brunnthaler
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GOLF TIME | 6-2021
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M
INTERVIEW | COVER
W it der Honda Classic in Palm Beach Gardens in Florida ver- bindet Camilo Villegas mehr als mit allen anderen Stationen auf der PGA Tour. Und das nicht nur, weil der 39-Jährige imNachbarort Jupiter lebt. Im März 2010 feierte er dort immerhin einen seiner insgesamt vier Siege auf der Tour. Zehn Jahre später war es eine der schwierigsten Turnierwochen seiner Kar- riere: Fast zwei Jahre war er davor wegen einer langwierigen Verletzung der rechten Schulter nicht mehr auf der Tour angetre- ten. Ausgerechnet in der Woche vor der Honda Classic 2020 zeigte sein einziges Kind, die am 26. September 2018 geborene Tochter Mia, ungewöhnliche Symptome: Sie weinte viel häufiger als üblich. Am Sonntag vor demTurnier wurde Mia dann imNicklaus Children’s Hospital inMiami untersucht. Die niederschmetternde Diagnose: Tumore an der Wirbelsäule und imGehirn. Trotzdem trat Villegas an; kein Wunder imNachhinein, dass er mit zwölf über Par den Cut klar verpasste. Was folgte, waren viereinhalb Monate zwischen Hoffen und Bangen. Mia wurde inMiami mehrfach mit Chemotherapie behandelt und fünfmal amGehirn operiert. Leider vergeblich. ImAlter von nur 22Monaten starb sie am 26. Juli 2020. Herr Villegas, wie hat sich Ihr Leben seit demTod Ihrer TochterMia ver- ändert?Was nehmen Siemit aus dieser schwierigen Zeit? Camilo Villegas: Es war eine unglaub- lich emotionale Phase. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Ich hätte aber nie geglaubt, dass meine FrauMaria und ich aus unserem Schicksal so viel positive Energie gewinnen würden. Unsere Stiftung, die wir zu Ehren unserer Tochter in „Mia’s Miracles“ umbenannt haben, hat bereits viel Geld für karitative Zwecke gesammelt. Meine Frau, die einen großen Teil der Stiftungsarbeit leistet, und ich haben aus der Golfwelt, aber auch von außerhalb große Unterstützung erfahren. Wir wollen etwas zurückgeben an jene, die in Not sind und ein Lächeln brauchen. Das inspiriert mich in meiner weiteren Karriere als Golfer. Mia lebt in unseren Herzen weiter. Hilft Ihnen das Stiftungs-Engagement bei der Verarbeitung? CV: Meiner Frau auf jeden Fall. Sie küm- mert sich enorm um die Anliegen der Stif- tung. Wenn sie mir vom traurigen Schicksal kranker Kinder erzählt, denen die Stiftung
BILDER AUS GLÜCKLICHEN TAGEN Maria und Camilo mit Tochter Mia
CV: Ja. Ich bin ein totaler Bewegungstyp. Ich kann nicht still zu Hause herumsitzen. Die Schulterverletzung bremste mich im Golf ziemlich, sodass ich andere Sportarten wie Biken als Training ausübte. Das Biken lenkte mich von meiner Verletzung und der damit verbundenen Pause imGolf ab. Harte Arbeit und der volle Fokus haben mich als Golfer stets ausgezeichnet. Ich bin glücklich darüber, was mir Golf als Sportler und als Mensch gegeben hat. Umso mehr freue ich mich und bin extrem dankbar, dass ich mich wieder mit den besten Spielern auf der Tour messen kann.
hilft, ist es für mich manchmal zu viel. Es ist wirklich hart. Ich unterstütze die Stiftung und meine Frau, wo ich kann, bin aber nicht so intensiv eingebunden wie sie. Ich fokus- siere mich auf meine Golfkarriere. Dass wir mit der Stiftung Familien in ähnlichen Situationen helfen können, wie wir sie erlebt haben, erzeugt bei uns eine tiefe Befriedi- gung und Dankbarkeit. Das Lächeln anderer heilt gewissermaßen auch uns. Ist dieWeiterführung Ihrer Karriere als Golfer für Sie persönlich dabei eine Hilfe?
GOLF TIME | 6-2021 25
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COVER | INTERVIEW
ob Kurzspiel, Putten oder Drives. Das ist für mich entscheidend. Damit kommen fast au- tomatisch gute Resultate bei den Turnieren. Gab esMomente, in denen Sie an Rücktritt dachten? CV: Jeder Spieler, der etwas mit meiner Situation Vergleichbares durchmacht, hat Tausende von Gedanken, die sich nicht um Golf drehen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nie mit demKarriereende befasst habe. Das war aber nicht meine wahre innere Stimme. Sie wurde überlagert von Frustration. Golf hat mir viel gegeben. Ich habe den Sport stets sehr geliebt, vor allem in den Perioden, in denen ich gute Ergebnisse erzielte. Das hat amEnde den Ausschlag gegeben weiter- zumachen. Seit IhremComeback ist Ihr Bruder Manuel Ihr Caddie. Wie kames dazu? CV: Er ist ein sehr guter Spieler. Er hat von mir gelernt, ich von ihm. Ihn amBag zu wissen, beruhigt mich sehr. Es hilft, dass wir beide das ganze Leben des anderen kennen. Außerdem haben wir viel Spaß zusammen. Ich hoffe, dass ich noch viele Birdies spiele, damit er genug verdient (schmunzelt) . Wie sehen Ihre golferischen Ziele aus? CV: Ich peile einen Platz in den Top 50 der Weltrangliste an, der mir die Teilnahme an weiterenMajors ermöglichen würde. Bei einemMajor zu spielen ist großartig. Ande- rerseits darf ich mich nicht zu sehr damit beschäftigen, weil das einen negativen Ein- fluss auf meine Leistungen haben könnte. Ich möchte die Dinge einfach geschehen lassen. MitteMärz haben Sie zusammenmit Ihrer Frau imNicklaus Children’s Hospital in Miami einen Ruheraum für das Ärzte- und Pflegepersonal eröffnet. Dort wurde Ihre TochterMia behandelt, dort ist sie gestorben. Die Rückkehr muss für Sie ein sehr emotionalerMoment gewesen sein? CV: Allerdings. Wir haben gesehen, wie anspruchsvoll und anstrengend die Arbeit in einemKinderkrankenhaus ist. Der Einsatz des Personals ist unglaublich. Es setzt alles daran, dass die Kinder gesund werden, und begleiten, die Eltern mit positiver Energie. Wir stellten fest, dass ein Raum fehlte, in den sie sich für kurze Zeit zurückziehen konnten, um diese Energie zu tanken, aber auch umAbstand zu gewinnen. Meine Frau Maria hatte die Idee. Es war extrem berüh- rend, die Reaktionen des Teams zu erleben, ihre Freude, ihre Dankbarkeit. Wir konnten ihnen etwas zurückgeben, nachdem sie für
FAMILIEN-IDYLLE Mias 1. Geburtstag
Wie beurteilen Sie Ihre Leistungen seit demComeback? CV: Die Resultate waren noch nicht kon- stant, aber ich spüre, dass ich zu alter Stärke zurückfinden kann. Gegen Ende des vergan- genen Jahres spielte ich nach durchwach- senem Start besser. Dieses Jahr habe ich bei der Honda Classic imMärz gut gespielt. Das war eine besonders tolleWoche: Ich konnte im eigenen Bett schlafen und mit dem 8. Rang war ich zufrieden, obwohl ich mit nur zwei Schlägen weniger den zweiten Platz belegt hätte und so das uneinge- schränkte Spielrecht auf der Tour hätte behalten können. Ich spielte konstant und hatte meine Gefühle imGriff. Es war das letzte Turnier, das ich seit meiner Rückkehr auf die Tour nachmeiner Schulterverletzung unter der Medical Extension gespielt habe. Hat der Tod Ihrer Tochter Sie als Golfer verändert? CV: (Überlegt lange) Diese Erfahrung verändert zweifellos. Man betrachtet das Leben anders, wird dankbar für gewisse Dinge. Man entwickelt sich als Mensch, wenn einen das Leben so hart schüttelt wie mich. Es ist aber schwierig zu sagen, ob ihr
Tod Einfluss auf mein Golf hat. Sobald ich zum ersten Abschlag gehe, bin ich nur noch auf das Turnier fokussiert. Das hat sich nicht geändert. Wie ich trainiere, wie ich schwinge, wie ich einen Golfplatz analysiere, wie ich mit demTurnierdruck umgehe, da bin ich immer noch der gleiche Spieler. „Mia lebt in unseren Herzen weiter...“ CAMILO VILLEGAS Ist der Ergebnisdruck noch derselbe wie früher? CV: Ich habe gemerkt, dass dasWichtigste in meiner Golfkarriere der Entwicklungs- prozess ist, den ich als Spieler ständig durchlaufe. Wer sich nur auf die Ergebnisse konzentriert, verpasst es, diesen Prozess bewusst wahrzunehmen und daraus zu lernen, ein besserer Spieler zu werden. Das Training, auch die Komponenten Kraft, Aus- dauer und Beweglichkeit als Basis, bekommt auf dieseWeise eine andere, tiefere Bedeu- tung. Ich genieße jeden Schlag imTraining,
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