GOLF TIME 7/2017
TRAINING | SPORTPHYSIO
DR. CHRISTIAN HAID Biomechaniker, Universitätsklinik Innsbruck
IRRTUM KOPF UNTEN HEALTHY SWING Es muss doch nicht immer der seligmachende „Mainstream“ sein. V or einigen Jahren war ich bei einer Golf- klinik mit Annika Sørenstam und habe von ihr sehr interessante Bemerkungen
Belastungen erkenne. Da kann man die un- weigerlich auftretenden Schmerzen schon im Vorfeld spüren. Nun ist es an der Zeit, verkrustete Lehrmeinun- gen aufzubrechen und „Golf gesünder werden zu lassen“. Ich lese dazu aufmerksam, wie sich verschiedene Gruppierungenmit demThemen- kreis auseinandersetzen, und stelle fest, dass leider echtes interdisziplinäres Denken fehlt. Es fehlen die physikalischen Analysen, weshalb der Golfschläger schnell wird, und es werden muskelphysiologische Phänomene halbherzig interpretiert. Die Funktion und der Belastungs- mechanismus der Bandscheibe werden kaum erwähnt, und so sind Fortschritte in der Ent- wicklung des Golfschwunges spärlich. Vielleicht fällt das nur mir als Physiker und Bio- mechaniker auf. Lösungsstrategien gibt es schon lange. Mit ihnen ist gesundes Spitzen- golf möglich. Auch unter Topspielern auf der Tour findet man immer häufiger gesunde Schwünge. Jetzt stellt sich nur die Frage, ob wir Golfer warten müssen, bis ein gesunder Schwung eines Topgolfers zum Leitbild wird, oder ob vielleicht doch auf wissenschaftliche Grundlagen zurückgegriffen werden kann. Bis dahin werden noch viele Bandscheiben operiert, denn es dauert eben lange, bis vor- gefasste Meinungen langsam verblassen. GT
zur Entstehung ihres Golfschwunges gehört (Annika war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre lang die weltbeste Golferin). Dabei wurde mir bewusst, wie sehr Fortschritte durch alte Lehrmeinungen verhindert werden. Auch die hierarchischen Strukturen in Aus- und Fortbil- dungsverbänden können oft wie ein „Klotz am Bein“ sein. Annika schilderte, dass sie im Durchschwung ihr Gewicht nicht auf das linke Bein verlagern konnte, da jemand zu ihr gesagt hatte, sie müsse den Kopf unten halten. Dann sagte sie: „Und ich hab das wirklich gemacht.“ Alle Anwe- senden lachten, denn das ist eine Aussage, die wohl fast jeder Golfschüler zu hören bekommt. Ihr Golflehrer Henry forderte sie auf, den Kopf mit der Wirbelsäule mitzudrehen, damit sie die Gewichtsverlagerung leichter durchführen konnte. Sie übte diese Bewegung. Mit der Zeit gewöhnte sie sich an diesen Bewegungsablauf, und so entstand der für sie typische Schwung. In Wirklichkeit befolgte sie jedoch nicht nur die Anweisung von Henry, sondern fügte noch eine weitere vereinfachende Bewegung dazu. Diese Bewegung ist für die Schwungdurchfüh- rung aus physikalischen Gründen günstig, aber auch aus medizinischer Sicht verringern sich dadurch körperliche Belastungen. In der Zwischenzeit hat die Golfwelt weiter- hin versucht, den Schwung von Tiger Woods nachzuahmen. Tiger wurde schon einige Male operiert, das ist jedoch für einen „Vorzeige- schwung“ kein Hindernis. In einem Interview habe ich nach vielem Positiven über Tiger Woods und sein Spiel auch geäußert, dass »Mein Lösungsansatz heißt Healthy-Swing.at . Es gehört Mut und innere Überzeugung dazu, diesen Schritt zu gehen, denn man verlässt
VORBILDLICH Annika Sørenstam schaut dem Ball nach. Das entlastet die Wirbelsäule
ich bei seinem Schwung lieber wegschaue. Es war nicht meine Absicht, diese Aussage zum Titel des Artikels werden zu lassen, aber viel- leicht kann man wirklich nur mit markanten Aus-sagen Leser erreichen. Mein Wegschauen rührt daher, dass ich bei bestimmten Bewegun- gen auch die dabei auftretenden körperlichen
IRRGLAUBE Wer hat uns eingeredet, wir müssen den Boden unter dem Ball anschauen? Das behindert die Drehbewegung und erzeugt hohe Belastungen
den Mainstream. Aber mit Einsatz und etwas Geduld kann man dann mit viel Spaß erfolgreich golfen«
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GOLF TIME | 7-2017
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