GOLF TIME 8/2016

GOLF TAGE BUCH

fahrenbachs Abschied W ochenlang hatte Clubpräsident Fahrenbach auf der Driving Range hinter der Clubmeisterin Brigitte Berger gestanden, um Und das, obwohl ein ausgefuchstes System der Vermarktung von Fernmitgliedschaften gute Einnahmen gebracht hatte. Auch die Regional- werbung war erfolgreich verlaufen.

ihren unglaublich harten Abschlag zu kopieren – und niemals hatte Brigitte Berger ein Wort an ihn gerichtet. Doch eines Tages drehte sie sich plötzlich um und sagte: „Die Bälle sind fertig.“ „Wie meinen?“ „Die Bälle sind fertig. Alle Dimple sind platt. Ich kann das 250-Meter Schild nicht mehr erreichen.“ „Ich auch nicht“, entfuhr es Fahrenbach. „Die Range geht leicht bergauf, vielleicht liegt es daran?“ „Quatsch, wir brauchen neue Rangebälle“, knurrte Brigitte und drehte sich wieder um, um die letzten Dimple aus den verbliebenen Bällen zu prügeln. Fahrenbach dachte nach. Auf den Gedanken, neue Rangebälle zu kaufen, war er bisher nie gekommen. Rangebälle waren ihm immer als der sinnlose Luxus neureicher Golfclubs erschienen, denen es nach dem 3. Konkurs gelungen war, ihrer Hausbank ein Ball-Spon- soring als Werbemaßnahme im Gegenzug für verlorene Kredite aufzuschwatzen. Der Golfclub Bauernburg mit seiner an Konkursen reichen Geschichte zählte sich mittlerweile zu den renommierten Adressen, die ähnlich den schottischen Traditionsclubs weder einen Golflehrer beschäftigen noch irgendeinen Wert auf Übungseinrichtungen legen. Dafür werfen die Mitglieder gefundene Bälle in eine Kiste und am Ende des Jahres wetteifern jeweils eine Dame und ein Senior (im Team) um den ,Bauernburger Ballermann‘- Preis. Der Senior reicht den Ball, die Dame malt einen roten Ring. Wer nach drei Stunden die meisten Bälle bemalt hat, ist Sieger. Die Senioren müssen die Bälle laut zählen, was zu lustigen Momenten führt, aber, wie unser Dr. Bercel- meyer betont, neurologisch sehr wertvoll ist, um die unter älteren Golfern weitverbreitete ,Score-Demenz‘ in Schach zu halten. Nun also echte Rangebälle kaufen? Fahren- bach erschauderte. Wie sollte er eine solche Ausgabe gegenüber der in Marbella lebenden Club-Inhaberin verantworten? Die platinblonde Industriellenerbin klang in letzter Zeit ohnehin so wie reiche Leute klingen, wenn sie das Interesse an einem Spielzeug verloren haben.

Ob sie heute der Anschaffung neuer Range- bälle zustimmen würde? Ihren Besuch hatte sie per Fax avisiert. Ein Blick auf die Uhr, Fahren- bach musste sich sputen. Er lief zum Clubhaus, wo Sekretärin Helga bereits die rote Fahne schwenkte. Fahrenbach riss sich zusammen und trat ein, worauf ihm Flammenschwerter entgegenschlugen. Da stand sie, die Club- besitzerin, und keifte: „Was ist das?“ Sie wedelte mit einer mickrigen Pappe. „Ihr Clubausweis?“, stotterte Fahrenbach. „Und wo ist mein Gold- Hologramm? Können Sie sich vorstellen, wie man mich behandelt hat? Wie eine Aussätzige! Ich wollte mit meinen Freundinnen in einem süddeutschen Prominentenclub spielen. Man hat mich als ‚Fernmitglied‘ abgewiesen!“ „Sehr unangenehm“, pflichtete Fahrenbach bei. „Wir hätten Ihnen einen Ausweis mit Hologramm bestellen können“, murmelte er, „aber ich dachte, in Spanien bräuchten Sie keinen Ausweis. Hätte ich gewusst …“. „Hätte ICH gewusst…!“, unterbrach sie ihn. „Dass dieser Club noch existiert und Sie hier Präsident sind, verdanken Sie allein mir – ist das der Dank? Schicken Sie mir im nächsten Jahr einen richtigen Ausweis, sonst verkaufe ich diesen Club an eine Reifenhandlung in China!“ Fahrenbach schwieg und ließ sie zetern. Er dachte an die neuen DGV-Beschlüsse. Im nächsten Jahr würde die Clubbesitzerin mit einem Ausweis ohne ‚R‘ echte Probleme be- kommen. Sie jetzt nach neuen Rangebällen zu fragen, war sinnlos. „Wer bin ich, warum bin ich hier und warum tue ich mir das an?“, dachte er. Er hatte die Nase voll. Brigitte Berger ließ ihn abblitzen und Präsident des DGV würde er auch niemals werden. „Es reicht“, sagte er sich, um einige Tage später beim Martinsgans-Essen seinen Rücktritt zu verkünden. „Die Ägide unter Präsident Fahrenbach wird uns allen unvergesslich bleiben“, schrieb Club- Chronist Dagobert Seicht ins Protokoll und wir, die Mitarbeiter des Golftherapeutischen Pflege- dienstes, nickten ergriffen. gT

eugen pleTScH Jahrgang 1952, Autor von fünf satirischen Büchern (z. B. „Der Weg der weißen

Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015), lebt als Schriftsteller bei Gießen. Legendär sind seine Lesungen in Golfclubs, wo er als Mit- arbeiter des „Golftherapeutischen Pflegediensts“ live aus der

Grünen Hölle berichtet. Info: home@cybergolf.de

» Und wo ist mein Gold-Hologramm? Können Sie

sich vorstellen, wie man mich behandelt hat? Wie eine Aussätzige! «

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