GOLF TIME 1/2023

KOLUMNE

DAS ENDE DER SCHONZEIT „We don’t make rules for people like that“, heißt es von den Regelhütern des R&A in St. Andrews hinsichtlich der leidigen Pestbeule am Anus des Golfsports, bekannt als „Handicap-Schoner“.

V

ielleicht sollte man sich mal wieder ins Gedächtnis rufen, warum ursprünglich überhaupt ein Handicap-System im Golfsport

unverfroren und schmerzbefreit, dass sie trotz des letzten Mittels, der öffentlichen Stigmatisie rung, ungeniert weiter ihr Unwesen treiben. Gibt es also wirklich kein effektives Pestizid gegen diesen hartnäckigen Pilzbefall? „Doch!“, sagt George Thurner, der das Pro gramm „Cap Patrol“ entwickelt hat. Eigentlich hatte Thurner seine Erfindung nur in seinem Heimatclub in Cincinnati einsetzen wollen, doch schnell wurden andere Clubs in den USA aufmerksam. Mittlerweile betreibt Thurner seinen „Cap Patrol“-Service hauptberuflich. Doch wie funktioniert „Cap Patrol“? Spielt bei spielsweise ein Handicap-18-Golfer plötzlich eine Runde unter 80 – ein großartiges Ergebnis, das jedoch bei der Spielstärke nur in Ausnahme fällen möglich ist –, wird das System erstmals aufmerksam. Spielt dann der gleiche Golfer kurz darauf eine Runde über 100 Schläge – ein scheußlicher, aber ebenfalls eher seltener Score in dieser Preisklasse, schlägt Cap Patrol an. Auf dem Papier würde der Spieler zwar wieder bei seinem „Wunsch“-Handicap 18 landen, aber Cap Patrol registriert die unwahrscheinlichen Ausreißer nach oben und unten und empfiehlt dem Club, den Spieler zu beobachten. Häufen sich die seltsamen Werte, erhält der Club vom „Golf-RoboCop“ hieb- und stichfeste Argu mente gegen das Charakterschwein, mit denen man es von den Futtertrögen der Top-Turniere vertreiben kann. Als das World Golf Handicap System eingeführt wurde, mahnten Kritiker an, dass es nun viel zu leicht möglich sei, mit zahlreichen Privatrunden das eigene Handicap nach Wunsch zu „pimpen“. Vielleicht hat kaum jemand etwas gegen die eitlen Pappnasen, die sich so lange gegenseitig Traumrunden aufschreiben, bis eine Null auf dem Clubausweis erscheint, obwohl sie im „Real Life“ noch nie unter 80 gespielt haben. Aber dank Cap Patrol kann man nun die Kehrseite des Handicap-Tunings effektiv bekämpfen. Bleibt zu hoffen, dass Cap Patrol alsbald für deutsche Clubs verfügbar ist. Bis dahin muss man sich leider noch mit dem althergebrachten „Teeren und Federn“ begnügen ... GT

erdacht wurde. Denn – Überraschung – das Handicap wurde nicht als Vehikel zur Befriedi gung von Profilneurosen erschaffen. Die Idee entstand schlicht aus der Fragestellung, wie man Golfer unterschiedlicher Spielstärken im Wettkampf gegeneinander antreten lässt. Aber vor allem war es nie im Sinne des Erfinders, dass man sich, Handicap sei Dank, bei hoch dotierten Sponsorenturnieren einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Trotzdem locken vor allem die Veranstaltungen namhafter Autohersteller oder Finanzunter nehmen allerlei halbseidene Glücksritter aus ihren Löchern, denen Heidewitzka, Herr Kapitän, urplötzlich genau dann „die Golfrunde ihres Lebens“ gelingt, wenn es gilt, eine hoch wertige Reise in exotische Gefilde abzugreifen. Doch, was kann man gegen diese fleischgewor dene Charakterlosigkeit auf zwei Beinen tun, die ein niedriges einstelliges Handicap spielt, auf dem Zettel jedoch angeblich 20-30 Schläge mehr als der Platzstandard benötigt? Tiefenentspanntere Zeitgenossen als meine Wenigkeit begegnen diesen Pappnasen mit christlicher Nächstenliebe. Sind sie doch im Grunde ihres Herzens nur erbärmliche Würst chen, die bereit sind, ihre Integrität für einen ergaunerten Sieg einzutauschen. Befindet sich ein notorischer „Sandbagger“ im eigenen Golfclub, besteht die Möglichkeit, direkt „erzieherisch“ einzuwirken. Kollektives Ausgrenzen aus dem sozialen Clubleben kann zum Umdenken führen. Natürlich könnte man den Betrüger direkt ansprechen, aber ist bei diesen Individuen die Fähigkeit zur Einsicht und Besserung gewöhnlich eher schwach ausgeprägt. Sollte man sich stattdessen an die Behörden, sprich den Club, wenden? Die Beweislage muss schon ziemlich erdrückend sein, bevor einem Spieler juristisch haltbare Konsequenzen dro hen. Und leider sind diese Zeitgenossen oft so

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Ambitionierter Hcp-8,2-Golfer mit einem Hang zu unverblümter Meinungsäußerung

„Gibt es also wirklich kein effektives Pestizid gegen diesen hartnäckigen Pilzbefall? Doch ...“

34 GOLF TIME | 1-2023

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