GOLF TIME 4/2024
COVER | BRYSON DECHAMBEAU
die Schaftlänge eines 6er-Eisen hatten. Er veränderte den Lie-Winkel und gab allen Schlägerköpfen das gleiche Gewicht: 278 Gramm. Jetzt konnte er mit jedem Schlä ger gleich schwingen, in der Bewegung, die er mithilfe der „Golfing Machine“ für sich erarbeitet hatte. „Ich habe einen einzigartigen, deutlich technischeren Schwung als die meisten Spieler“, sagte er. Jeder könne aber von der Einfachheit der konstanten Schlägerlän gen profitieren. Sein damaliger Ausrüster Cobra brachte prompt solche Schlägersät ze für den Ottonormalverbraucher auf den Markt. Mit überschaubarem Erfolg aller dings, wenn man auf die letzten Jahre zu rückblickt. Es sei dies ein Schritt auf dem Weg, „den Menschen einen einfachen Weg zu zeigen, den sie noch nicht gefunden ha ben“, ist Bryson dennoch überzeugt. AUFMERKSAMKEIT ALS GESCHENK DeChambeau gefällt sich in der Rolle des Philosophen, des Vordenkers. Der Tüftler, der Physik im Hauptfach am College hat te, kann die Newtonschen Gesetze ebenso zitieren wie Einstein, Edison oder die Bi bel. Und er tut das gern. Als er 2016 auf die Tour kam, empfand er die Aufmerksamkeit schnell als Geschenk. „Es ist eine Pumbo rum, Iliacus und Longissimus Thoracis“.
DeChambeau. „Bei jedem Körpertyp sieht der Schwung anders aus. Das hat mich ge fesselt. Es geht um das Individuum. Viele Wege können im Golf zum Erfolg führen.“ KÜNSTLER STATT MASCHINE DeChambeau strebte danach, eine Basis zu finden, auf der er persönlich nachhalti gen Erfolg haben könnte. Mit einem solch stabilem Fundament könne man dann „Künstler statt Maschine“ sein. „Das ist das ultimative Ziel im Golf“, ließ er bereits zu Beginn seiner Profikarriere verlautba ren. Sein Weg zu diesem Ziel war ein ganz spezieller. Er grübelte und studierte. Er war stur, hartnäckig und ehrgeizig. „Ich war nicht in der Lage, mit zwei unterschied lichen Schlägern 20 gleiche Schwünge zu machen. Ich musste immer irgendetwas mit dem Körper verändern.“ Also bastelte er so lange an seinen Golfschlägern herum, bis alle, vom 3er Eisen bis zum Lobwedge, „ER KAM NICHT DAMIT ZURECHT, DASS DIE ANDEREN SPIELER NICHT SO HART ARBEITETEN WIE ER.“ JON DECHAMBEAU (VATER)
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Komfortzone LIV Golf. Für Bryson DeChambeau machte sich der Wechsel auf die von Saudi Arabien finanzierte Liga sprichwörtlich bezahlt
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Volleyball, fand aber, dass Golf der richtige Sport für ihn war. Ihm gefiel die Tatsache, dass es ein Einzelsport ist, und seine me thodische Art und sein analytischer Ver stand kamen ihm am besten zugute, wenn er die Herausforderungen von 18 Löchern meisterte. Mannschaftssport hingegen war nicht so sein Ding. „Er kam nicht damit zurecht, dass die anderen Spieler nicht so hart arbeiteten wie er“, erzählte einmal sein Vater Jon DeChambeau. Als es an der Zeit war, das College auszuwählen, das er besuchen wollte, entschied er sich für die SMU, weil ihm das Golfprogramm gefiel, aber auch, weil eines seiner Idole, Payne Stewart, ebenfalls dorthin ging, um Col lege-Golf zu spielen. DIE KAPPE ALS TRADEMARK Genauso wie beim legendären Stewart wurde auch beim jungen Bryson die Schie bermütze, auch gerne in Anlehnung an Ben Hogan „Hogan Cap“ genannt, zu sei nem Markenzeichen. Er entdeckte im Al ter von 13 Jahren die Kappe in einem Pro Shop und trug sie seitdem während seiner gesamten Golfkarriere, was sie zu einem sofort erkennbaren Aspekt seiner Persön lichkeit machte. Doch mit Anfang 2022 war die „Hogan Cap“ plötzlich Geschichte und DeChambeau tauschte sie gegen eine normale Baseball-Cap. „Ich habe das Ge fühl, als würde ich eine neue Seite, ein neu
eit er 2016 Profi wurde, tanz te Bryson DeChambeau immer nach seiner eigenen Pfeife. Der Physikabsolvent der Southern Methodist
es Kapitel in meinem Buch des Lebens auf schlagen“, erklärte Bryson, der zu der Zeit auch beträchtlich an Muskelmasse zulegte und sich bei den Long Drivern versuchte. „Ich entwickle mich ständig weiter, verän dere mich, wachse und passe mich an. Das ist einfach auch wieder so ein Ding.“ GENIE UND WAHNSINN Doch blenden wir noch einmal zurück in die Kindheit von Bryson DeChambeau. Im Alter von sechs Jahren brillierte er bereits als Rechenkünstler in der Schule und seine Noten waren stets hervorragend. Er war zwar ein guter, wenn auch ein unangeneh mer Schüler. Er wollte alles genau wissen, wollte Beweise für das, was die Lehrer ihm beibringen wollten. So beschloss Vater Jon in Sachen Golf einen besonderen Trainer für seinen Sprössling zu finden. Mike Schy war der Auserkorene, der Bry son zudem mit einem Buch in Kontakt brachte, das die Karriere des Jungspunds für immer veränderte. „The Golfing Ma chine“ von Homer Kelley, erschienen 1969, fokussiert den einfach zu wiederholenden Golfschwung mit Schlägern gleicher Län ge. DeChambeau war 17, als er das Buch bis ins kleinste Detail analysierte und sei ne eigenen Schlüsse daraus zog. „Es geht bei dem Buch darum, individuelle Un terschiede möglich zu machen“, erklärte
University (SMU) war auf dem Golfplatz für seine Verbissenheit bekannt, die bis weilen aus dem Ruder lief. Die meisten seiner Kollegen auf der Tour konnten sei ne zielstrebige Besessenheit, erfolgreich zu sein, verstehen; sie konnten auch seinen Antrieb verstehen, kraftvoller zu werden und ein aggressives Konditionsprogramm zu absolvieren, was im heutigen professio nellen Golf nicht ungewöhnlich ist. Auch Kontrahenten wie Brooks Koepka, Rory McIlroy und allen voran Tiger Woods ha ben das Gewichtheben zu einem Teil ihres Konditionsprogramms gemacht. Was sei nen Golfkollegen gegen den Strich ging, war sein langsames Spieltempo auf dem Platz und seine spaßbefreite Art sowohl auf als auch abseits des Golfplatzes, die ihm nur sehr wenige Freunde auf der Tour einbrachte. Aber es war die Art und Wei se, wie er mit den Fans interagierte (oder nicht interagierte), die der PR-Abteilung der PGA Tour große Sorgen bereitete. DeChambeau wuchs als Einzelkind von Jon und Jan DeChambeau in Modesto, Kalifornien, auf. Er brillierte in mehreren Sportarten, sei es Fußball, Basketball oder
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Der „People Champion“. Bryson DeChambeau läßt sich nach seinem Sieg in Pinehurst feiern
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