GOLF TIME 5/2022

KOLUMNE

DES WAHNSINNS FETTE BEUTE „Dass ich den dritten Preis in der Netto Klasse B um einen Schlag verpasst habe, war kein Zufall!“, behauptet Gerd H. Der ambitionierte Clubgolfer glaubt vielmehr größere Zusammenhänge zu erkennen – wir haben mit ihm gesprochen.

D

eventuelle Gewitterzellen in der Nähe des Golfplatzes mittels Wetterradar genau im Blick behalten würde? Also kannten sie den Wetterbericht und wussten, dass nur bei mir der Gegenwind immer exakt in mei nem Rückschwung einsetzen würde! Und glauben die ernsthaft, mir fallen die Muster am Himmel nicht auf? Luftverwirbelungen von Flugzeugen? Das ich nicht lache! Das sind Chemtrails! Jedes Mal setzen bei mir umgehend pochende Kopfschmerzen ein, wenn ich sie bemerke. Arbeitete der Schwager des Clubmanagers nicht bei der Lufthansa? Kritisch nahm ich meine Mitspieler unter die Lupe. Beides angeblich Gastspieler. Woher? Vom BND? Der eine scharrte immer mit den Füßen, wenn ich mich auf meinen Schlag vorbereitete, postwen dend klapperte der andere mit seinen Schlägern. So ein Schmierentheater! Denken die, ich habe nicht bemerkt, dass das alles geheime Codes waren, die sie nach jedem Loch betont unauffällig in ihre Golfuhren eintippen? Ich weiß noch nicht, warum man derartigen Aufwand betreibt, um meine Golferfolge zu schmä lern? Ist es, weil ich so gut aussehe? Weil ich zu schnell zu gut geworden bin? Wahrscheinlich steht aber nicht weniger als das Schicksal der Welt auf dem Spiel. Die Regierung, Bill Gates, die Illuminaten, die stecken da alle mit drin …“ Einige Wochen, nachdem dieses Gespräch stattge funden hatte, verließ Gerd H. ohne Vorwarnung seine Familie und verschwand spurlos. Es wird ver mutet, dass er sich in die USA abgesetzt hat, wo er einer Organisation namens „GAnon“ beigetreten ist. Diese versucht angeblich, ein geheimes Tunnelsystem zu entlarven, dass unter dem Augusta National existieren soll, in dem entführte jugendliche Golf talente gefangen gehalten werden. Diese sollen mit endlosen Zeitlupenstudien talentfreier Seniorenspie ler gefoltert werden, um aus dem Blut der Gequälten den Stoff „Par-drenochrom“ zu gewinnen, den sich die Eliten der Welt spritzen lassen, um besseres Golf zu spielen. Direkt nach seiner Wiederwahl, so schrieb Gerd H. kürzlich auf seiner Facebook-Seite, will Donald Trump, der mit 76 Jahren ein erstaunlich nie driges Handicap von 2 spielt, Regierungsmittel bereit stellen, um die Kinder zu befreien. Xavier Naidoo sei angeblich schon informiert und tief betroffen ... GT

ie Binsenweisheit, dass man während einer Golfrunde einen Menschen wirk lich kennenlernt, mag vielleicht ein Körnchen Wahrheit beinhalten. Vielmehr

trifft wohl zu, dass Golf einem psychischen Dauer stresstest gleichkommt, bei dem der Wahnsinn so manche Blüte treibt, die der Erzeuger vielleicht selbst kaum für möglich gehalten hätte. Es ist mir gelungen, mit dem Betroffenen Gerd H. (Name von der Redaktion geändert) zu sprechen: „Bei mir fing es mit harmlosen Lamentos an, oft getriggert von einem einsamen Baum am Rande des Fairways, der mir einmal zu oft den Weg zum Fairway versperrt hatte. Erst hielt ich ihn für eine schlechte Laune der Natur. Doch irgendwann begann ich zu vermuten, dass dieser dort vorsätzlich gepf lanzt worden sein musste. Von jemanden, der wusste, dass meine Abschläge auf Bahn 12 meist Push-Slices waren. Ich behielt diese Erkenntnis jedoch für mich, da ich es nicht beweisen konnte. Noch nicht. Einige Zeit später begann ich bitter über die magischen Löcher zu scherzen, die meine doch eigentlich perfekten Putts wie von magischer Hand von sich fernhielten. Was, wenn jemand mit Absicht das Gras der Grüns so walzen würde, dass ich das Loch gar nicht treffen konnte? Mir entging nicht, dass die Löcher fast immer so gesteckt waren, dass sie für mein Spiel maximal ungünstige Voraussetzungen boten. Und warum grüßten die Greenkeeper mich oft nicht, wenn sie eines der benachbarten Fairways mähten? Eines Turniertages dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Mein Ball war erneut in einem frischen Divot zur Ruhe gekommen, obwohl vor mir noch niemand an diesem Tag gespielt hatte. Endlich wachte ich auf und erkannte die Wahrheit! Ich sah die Zusammenhänge, die den anderen, tief schlafenden Golfschafen nie aufgefallen wären. Endlich fügten sich alle Puzzleteile zu einem hässli chen, aber vollkommen stimmigen Bild zusammen. Zu offensichtlich, der eigenen Sache vielleicht auch schon zu sicher, hatte man diesmal versucht, sich gegen mich zu verschwören. Ich erinnerte mich: Hatte nicht die Turnierleitung vor dem Kanonenstart noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN rät allen Amateurgolfern, neben der körperlichen auch die geistige Gesundheit nicht außer Acht zu lassen. Er weiß, wovon er spricht!

„Endlich fügten sich alle Puzzleteile zu einem hässlichen, aber vollkommen stimmigen Bild zusammen ...“

26 GOLF TIME | 5-2022

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