GOLF TIME 6/2021
COVER | INTERVIEW
ob Kurzspiel, Putten oder Drives. Das ist für mich entscheidend. Damit kommen fast au- tomatisch gute Resultate bei den Turnieren. Gab esMomente, in denen Sie an Rücktritt dachten? CV: Jeder Spieler, der etwas mit meiner Situation Vergleichbares durchmacht, hat Tausende von Gedanken, die sich nicht um Golf drehen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nie mit demKarriereende befasst habe. Das war aber nicht meine wahre innere Stimme. Sie wurde überlagert von Frustration. Golf hat mir viel gegeben. Ich habe den Sport stets sehr geliebt, vor allem in den Perioden, in denen ich gute Ergebnisse erzielte. Das hat amEnde den Ausschlag gegeben weiter- zumachen. Seit IhremComeback ist Ihr Bruder Manuel Ihr Caddie. Wie kames dazu? CV: Er ist ein sehr guter Spieler. Er hat von mir gelernt, ich von ihm. Ihn amBag zu wissen, beruhigt mich sehr. Es hilft, dass wir beide das ganze Leben des anderen kennen. Außerdem haben wir viel Spaß zusammen. Ich hoffe, dass ich noch viele Birdies spiele, damit er genug verdient (schmunzelt) . Wie sehen Ihre golferischen Ziele aus? CV: Ich peile einen Platz in den Top 50 der Weltrangliste an, der mir die Teilnahme an weiterenMajors ermöglichen würde. Bei einemMajor zu spielen ist großartig. Ande- rerseits darf ich mich nicht zu sehr damit beschäftigen, weil das einen negativen Ein- fluss auf meine Leistungen haben könnte. Ich möchte die Dinge einfach geschehen lassen. MitteMärz haben Sie zusammenmit Ihrer Frau imNicklaus Children’s Hospital in Miami einen Ruheraum für das Ärzte- und Pflegepersonal eröffnet. Dort wurde Ihre TochterMia behandelt, dort ist sie gestorben. Die Rückkehr muss für Sie ein sehr emotionalerMoment gewesen sein? CV: Allerdings. Wir haben gesehen, wie anspruchsvoll und anstrengend die Arbeit in einemKinderkrankenhaus ist. Der Einsatz des Personals ist unglaublich. Es setzt alles daran, dass die Kinder gesund werden, und begleiten, die Eltern mit positiver Energie. Wir stellten fest, dass ein Raum fehlte, in den sie sich für kurze Zeit zurückziehen konnten, um diese Energie zu tanken, aber auch umAbstand zu gewinnen. Meine Frau Maria hatte die Idee. Es war extrem berüh- rend, die Reaktionen des Teams zu erleben, ihre Freude, ihre Dankbarkeit. Wir konnten ihnen etwas zurückgeben, nachdem sie für
FAMILIEN-IDYLLE Mias 1. Geburtstag
Wie beurteilen Sie Ihre Leistungen seit demComeback? CV: Die Resultate waren noch nicht kon- stant, aber ich spüre, dass ich zu alter Stärke zurückfinden kann. Gegen Ende des vergan- genen Jahres spielte ich nach durchwach- senem Start besser. Dieses Jahr habe ich bei der Honda Classic imMärz gut gespielt. Das war eine besonders tolleWoche: Ich konnte im eigenen Bett schlafen und mit dem 8. Rang war ich zufrieden, obwohl ich mit nur zwei Schlägen weniger den zweiten Platz belegt hätte und so das uneinge- schränkte Spielrecht auf der Tour hätte behalten können. Ich spielte konstant und hatte meine Gefühle imGriff. Es war das letzte Turnier, das ich seit meiner Rückkehr auf die Tour nachmeiner Schulterverletzung unter der Medical Extension gespielt habe. Hat der Tod Ihrer Tochter Sie als Golfer verändert? CV: (Überlegt lange) Diese Erfahrung verändert zweifellos. Man betrachtet das Leben anders, wird dankbar für gewisse Dinge. Man entwickelt sich als Mensch, wenn einen das Leben so hart schüttelt wie mich. Es ist aber schwierig zu sagen, ob ihr
Tod Einfluss auf mein Golf hat. Sobald ich zum ersten Abschlag gehe, bin ich nur noch auf das Turnier fokussiert. Das hat sich nicht geändert. Wie ich trainiere, wie ich schwinge, wie ich einen Golfplatz analysiere, wie ich mit demTurnierdruck umgehe, da bin ich immer noch der gleiche Spieler. „Mia lebt in unseren Herzen weiter...“ CAMILO VILLEGAS Ist der Ergebnisdruck noch derselbe wie früher? CV: Ich habe gemerkt, dass dasWichtigste in meiner Golfkarriere der Entwicklungs- prozess ist, den ich als Spieler ständig durchlaufe. Wer sich nur auf die Ergebnisse konzentriert, verpasst es, diesen Prozess bewusst wahrzunehmen und daraus zu lernen, ein besserer Spieler zu werden. Das Training, auch die Komponenten Kraft, Aus- dauer und Beweglichkeit als Basis, bekommt auf dieseWeise eine andere, tiefere Bedeu- tung. Ich genieße jeden Schlag imTraining,
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