GOLF TIME 6/2021

INTERVIEW | MARCEL SIEM

„Habe aufgehört, mich in der Opferrolle zu sehen“

FORMHOCH Marcel Siem spricht über den sportlichen Aufschwung und darüber, was in der schwierigen Zeit davor passiert ist.

E motionale Szenen spielten sich ab nach Marcel Siems Sieg bei der Vaudreuil Golf Challenge. Der Deutsche nahm mit seiner Tochter an der Seite mit feuchten Augen den Sieger- pokal entgegen, den ersten seit 2014. Der Erfolg im Norden Frankreichs war nicht nur ein wichtiger Schritt zurück in Richtung Karte für die European Tour, sondern sicherte Siem auch eine Einladung nach Royal St. Georges. In England meldete sich ein mit vier European-Tour-Siegen deko- rierter Spieler für einen Moment zurück auf der Major-Bühne und verzauberte die Fans mit seiner positiven Ausstrahlung. Vor einigen Jahren stand Siem noch auf dem Sprung unter die besten 50 der Welt, verlor aber den Schwung und die Tour-Karte. Es folgten schwierige Jahre – gesundheitlich wie men- tal. Siem dachte kurz ans Aufhören, rang sich aber dazu durch, den steinigen Weg zurück anzutreten. Ein Gespräch über Selbsterkennt- nis, das richtige Umfeld und wichtige Details bei der Arbeit am Golfspiel. Ich bin etwas unsicher. Zwar haben mir fast alle bestätigt, dass ich mit an Sicher- heit grenzender Wahrscheinlichkeit durch bin, was die Top 20 auf der Challenge Tour betrifft. Aber ich will natürlich keinen Mist bauen. Ich habe eine ganz gute Chance, mich über das Race to Dubai zu qualifizieren. Das wäre eine deutlich bessere Kategorie als die über die Challenge Tour. Da könnte ich bei allen lukrativen und wichtigen Events dabei sein. Ich bin gut in Form, traue mir zu, wei- tere gute Ergebnisse auch auf der European Marcel Siem, Challenge oder European Tour – wie ist der Plan für die restliche Saison?

Tour einzufahren und dann sollte das auch funktionieren. Falls ich anfange, Cuts zu ver- passen, ziehe ich aber die Reißleine. Dann bin ich eben noch nicht so weit und spiele die Saison auf der Challenge Tour zu Ende. Wobei man sagen muss, das Niveau dort ist nicht so viel schlechter als auf der European Tour, wenn man einmal von den Feldern der Top-Turniere wie Italien oder der BMW PGA Championship absieht. Werfen wir einen Blick zurück: Als Sie sich durch den Sieg in Frankreich für die Open qualifiziert haben, wussten Sie zunächst nicht, ob Sie überhaupt antreten wollen. Was war entscheidend dafür, die Einladung anzunehmen. Mein Team und ich haben einen ganz klaren Plan. Ich gehöre aktuell spielerisch auf die Challenge Tour. Aber klar, nach einigen guten Ergebnissen und meinem Sieg in Frankreich habe ich mich sehr gut gefühlt. Entscheidend für meine Zusage war für mich die Tatsache, dass zehn Prozent des Preis- geldes auch für das Ranking gezählt haben. Haben Sie bei der Open während der Einspielrunden schon gemerkt, dass das eine besondere Woche werden könnte? Nicht wirklich, ich habe am Mittwoch eine Proberunde mit Martin, Marcel und Matti Schmid gespielt und habe gar nichts getrof- fen. Die Anreise war anstrengend und dieser Platz ist wirklich schwierig einzusehen. Vom Abschlag sieht man oft nur hohes Rough und Topfbunker. Zum Glück habe ich meinen ehemaligen Stamm-Caddie Guy Tilston noch für die Woche verpflichtet, der kannte den Platz sehr gut und hat mir gezeigt, wo es langging.

38

GOLF TIME | 6-2021

www.golftime.de

Made with FlippingBook PDF to HTML5