GOLF TIME 7-2016
GOLF TAGE BUCH
Der EU-Golf-Milch-Topf S elbst unsere sonst sehr nerven- starke Clubsekretärin Helga musste ihre Tropfen schlucken, nachdem die berüchtigte „Club-Diva“ aus einem Nachbarclub den gesamten Ablauf unseres Texas Scramble vielen Regentage genutzt, um sich in sein neues Hobby, die Golfliteratur, zu vertiefen. Nachdem er Bücher von P. G. Wodehouse und Henry Longhurst durchpflügt hatte, begann er sich dem Wenigen zuzuwenden, was es an deutscher Golfliteratur gibt. Nach den Werken Bernhard von Limburgers verschlang er die Bücher von Uli Kaiser, um
aufgemischt hatte. Eine Club-Diva signalisiert bereits in ihrem Styling, dass sie auf Männer- jagd ist. Sie möchte deshalb nur in Flights mit Männern spielen, Damen seien unerwünscht. Die Männer müssen alleinstehend oder zumindest am Turniertag ohne Begleitung sein. Läuft nicht alles nach Wunsch, ignoriert sie ihre Mitspieler, wobei sie ständig meckert – sei es über die Turnierorganisation, die Zwischen- verpflegung oder die abendliche Sitzordnung. Sportlich ambitioniert kann sie es nicht ertragen, wenn andere die Preise abräumen, denn die Preisübergabe ist ihre Bühne. Als besagte Club-Diva merkte, dass ein anderes Team besser gespielt hatte, stand sie auf und ging, nicht ohne unserer Helga in der Lobby zynisch für einen „wundervollen, aber leider schlecht organisierten Tag“ zu danken. Dann, am nächsten Morgen, erwischte Helga einen für seine Kleptomanie berüchtigten Gast-Spieler, als er in der Garderobe gerade dabei war, unser gesamtes Shampoo-Sortiment einzupacken. „Was soll das?“ „Was?“ „Na, dass Sie alle Fläschchen einpacken!“ „Warum nicht? Die stehen doch nur rum.“ Helga, zuerst sprachlos, holte tief Luft: „Übrigens“, sagte sie freundlich, „ich muss demnächst wieder neue Handtücher bestellen. Gibt es eine Farbe, die Ihnen zu Hause noch fehlt?“ Dann drehte sie sich um und ging. Da Präsident Fahrenbach beim Training war, wandte sie sich an uns vom Golftherapeutischen Pflegedienst, die wir gerade dabei waren, eine knifflige Aufgabe zu lösen. „Manchmal reicht es mir wirklich!“, schloss Helga, nachdem sie uns ihren Ärger mit der Golf-Diva geschildert hatte. „Die Damen in unserem Club sind wirklich nett, aber diese Frau kennt nur: ICH, ICH, ICH.“ Wir blickten Helga aufmunternd an, worauf sie wieder lächelte und wir uns wieder dem EU-Förderantrag zuwenden konnten, den uns Präsident Fahrenbach aufgehalst hatte. In diesem Sommer hatte er nämlich jeden der
schließlich, zu seinem Entsetzen, auf einen ‚Satiriker‘ zu stoßen, dessen sarkastische Be- merkungen über das Golfspiel an Boshaftigkeit nicht zu überbieten waren. „Golf macht süchtig, dann eine Weile blöde, dann depressiv“, rezitierte der wütende Fahren- bach an einem regnerischen Nachmittag in unserem Clubraum. „Wo er recht hat, hat er recht“, kicherte Karl Janzen, was Fahrenbach jedoch nicht hörte. Er schäumte: Dieser angeb- lich „humoristische Golfautor“ sagt, dass „Golfer wie BSE-kranke Rinder im Kreis laufen“ (wieder kicherte Janzen) … „und die Driving Range ein Stall wäre, in dem die Golflehrer ihre goldenen Kühe melken. So eine Frechheit!“ „Na ja“, bemerkte Dagobert Seicht, „wenn man die Honorare mancher Golflehrer betrachtet und sieht, was dann dabei herauskommt, da kann man schon von melken sprechen.“ „Aber wir Golfer sind doch keine Ochsen und unsere Damen keine Kühe! Das ist eine Unverschämt- heit! Denn wenn dem so wäre, könnten wird die gesamte Golfanlage gleich als landwirt- schaftlichen Betrieb anmelden!“, ereiferte sich Fahrenbach. Plötzlich dachten wir alle das Gleiche: „Warum eigentlich nicht?“ Zumal sich Fahren- bach selbst bei seinen ‚Longest Drive‘-Versuchen häufig als Ochse beschimpfte. „Die EU hat gerade Hilfen für Milchbauern beschlossen“, flüsterte Fahrenbach. „Sollten wir uns nicht auch um Fördermittel bemühen, da wir trotz großer Grünflächen keine Milch erzeugen?“ Es war nicht leicht, an den großen Milchtopf ranzukommen, aber schließlich hatten wir die richtigen Formulare für die EU-Förderung zusammen. „Wie viel Quadratmeter hat unser Stall?“, murmelte Dagobert Seicht, der die Anträge ausfüllte. „Unser Course Rating mit zehn multipliziert sollte ausreichen“, sagte Karl Janzen und lächelte. GT
eUGen PleTscH Jahrgang 1952, Autor von fünf satirischen Büchern (z. B. „Der Weg der weißen
Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015), lebt als Schriftsteller bei Gießen. Legendär sind seine Lesungen in Golfclubs, wo er als Mit- arbeiter des „Golftherapeutischen Pflegediensts“ live aus der
Grünen Hölle berichtet. Info: home@cybergolf.de
» Er sagt, dass ›Golfer wie BSE- kranke Rinder im Kreis laufen‹ … ›und die Driving Range ein Stall wäre, in dem die Golflehrer ihre goldenen Kühe melken. So eine Frechheit!‹ «
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