GOLF TIME 7/2023

COVER | ALINE KRAUTER

mit Freunden oder meinen Eltern relativ selten über Golf und versuche, an etwas anderes zu denken. Und ich lerne gerne neue Städte kennen. Wenn wir irgendwo auf Turnieren sind, bin ich die Erste und gefühlt auch die Einzige, die sich zuerst einmal die Stadt anschaut und die Restau rants abklappert. Das ist mir aber auch super wichtig. Ich werde nie die Spielerin sein, die nur vom Golfplatz zum Hotel fährt und nichts anderes zu sehen bekommt. Ich würde gerne auf der LPGA Tour gewinnen und ich würde gerne beim Solheim Cup spielen. Ich liebe Teamevents und bin auch total teamorientiert. Das hat mir sowohl auf der Uni als auch im Nationalkader schon immer gut gefallen. Das könnte kurz- oder mittelfristig sein, je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln. Aber es ist auf jeden Fall ein sehr großes Ziel. Das ist wirklich schwierig, aber ich denke ein Major-Sieg. Ich hatte mir das gerade zuletzt erst gedacht: Im Golfsport gibt es naturgemäß immer mehr Niederla gen als Siege. Wenn man als Team verliert, dann ist es „weniger schlimm“, da man ja das Team um sich herum hat. Insofern denke ich, dass eine Niederlage beim Solheim Cup – wenngleich das natürlich auch nicht schön und wünschenswert wäre – wahrscheinlich leichter zu ertragen wäre, da man es zusammen durchmacht. Und man hat ja die Chance, den nächsten Sol heim Cup dann wieder zu gewinnen. Ein Major-Sieg hingegen, den kann einem niemand mehr wegnehmen! GT „DAS LANGFRISTIGE ZIEL IST SICHER, MICH AUF DER LPGA TOUR ZU ETABLIEREN.“ ALINE KRAUTER Was sind deine kurz- und mittelfristigen Ziele? Was würdest du gerne erreichen? Du hast die Wahl: Major-Sieg oder Sieg mit dem europäischen Solheim-Cup-Team?

und da habe ich gemerkt, das ist wirklich etwas Besonderes und da könnte vielleicht etwas draus werden. Mit 15 bin ich dann in die USA, nach Florida, auf ein Golf-Inter nat gegangen – und dann kam eines zum anderen ... Du hattest eine sehr erfolgreiche Amateur- Zeit mit den Siegen bei den German Boys & Girls Open 2016 und natürlich der Women’s Amateur Championship 2020 als Highlights. Wie wichtig waren diese Erfolge für deine weitere Karriere? Der Sieg bei den German Boys & Girls 2016 war insofern bedeutend, da ich damals schon in den USA auf dem Internat war und nur für dieses Turnier nach Deutschland reiste, da ich das Gefühl hatte, dass die internationalen Turniere in Euro pa trotzdem wichtig für meine weitere Ent wicklung sind. Das System in den USA im Jugendbereich ist zwar sehr gut gemacht, aber auch sehr exklusiv gehalten und man muss zuerst Punkte sammeln, um in Tur niere reinzukommen. Ja und der Sieg bei der Women’s Amateur Championship 2020 war natürlich etwas ganz Besonderes und hat mir, denke ich, gerade für die Colleges sehr stark geholfen. Vor der Uni schon einmal gewonnen zu haben und ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen, war sicher nicht von Nachteil. Und der Sieg hat mir viele Türen geöffnet. Ich konnte ein wenig auf der LPGA spie len, auch meine ersten Major-Teilnahmen mitnehmen, und ich war auch beim Augus ta National Women’s Amateur am Start. Ich durfte mich also auf dem höchsten Level des Damen-Golfsports beweisen, bevor ich überhaupt den Schritt gegangen bin, zu sagen, ich möchte Profi werden. Ich war mir auch bis zum vorletzten Jahr auf der Uni nicht 100-prozentig sicher, ob ich

Der Sieg bei der prestigeträchtigen Women‘s Amateur Championship 2020 im englischen West Lancashire Golf Club öffnete so manche Türe für die aufstrebende Deutsche

Sympathisch und beliebt: Aline Krauter mit Olivia Cowan (M.) und Maiken Bing Paulsen während der Aramco-Team-Series-Gala im Trump International in Palm Beach, Florida

natürlich den Druck. Klar, ich würde gerne nächstes Jahr auch wieder auf der LPGA Tour spielen, aber ich bin in der Luxus- Situation, die LET-Karte sicher in der Tasche zu haben und hätte auch kein Prob lem damit, die ganze Saison auf der LET zu spielen. Beide Touren zu spielen wäre ideal, auch wenn es mit viel Reisen verbunden ist, aber es gibt ja Schlimmeres … Ich denke, es ist relativ viel Planung nötig, die beiden Touren in Einklang zu bringen, oder? Absolut. Wenngleich die LPGA relativ spät in die Saison startet, zumindest mit den Full-Field-Events. In diesem Jahr war es etwa so, dass ich Anfang des Jahres schon früh ein paar Turniere auf der LET absolvieren konnte. Im Laufe des Jahres, als die LPGA dann in vollem Gange war, habe ich mich dann zunächst ganz darauf kon zentriert und versucht, so viele Events wie möglich in den USA zu spielen. Im Herbst ging die LPGA dann nach Asien, wo ich nicht in die Events reingekommen bin. In sofern habe ich dann entschieden, Turniere auf der LET mitzunehmen, unter anderem eben auch das in Indien. Und das hat sich gut ausgezahlt (lacht). Du hast im Alter von sechs Jahren mit dem Golfsport begonnen. Wie kam es dazu und was hat dich dazu bewogen, es ernsthaft an zugehen? Ich bin damals meistens zum Golfplatz mitgegangen, um meinen um drei Jahre älteren Bruder zu begleiten. Ich habe

eigentlich alles mit meinem Bruder gemacht und alle Sportarten ausprobiert, die er auch spielte. Ich war aber ein sehr ungeduldiges Kind, insofern würde ich nicht behaupten, dass es mit sechs Jahren schon Spaß gemacht hätte. Wir haben damals vor allem Tennis und Golf gespielt und irgendwann mussten wir uns für eine Sportart entscheiden, denn beides auf hohem Niveau geht irgendwann nicht mehr, vor allem auch während der Schul zeit. Wir hatten bei uns im Club in Kirch heim-Wendlingen ein sehr gutes Gruppen System und ich habe immer mit den älteren Kindern trainiert, was mir enorm viel An sporn gab. Ich habe mich dann an meinen

wirklich Profi werden möchte. Aber vor allem die Majors, die so toll organisiert und wirklich imposant sind, haben mich dazu bewogen, Ja zu sagen, das ist der Weg, den ich gehen möchte. Inwieweit hat die Zeit am College dir als Spielerin geholfen, aber auch bei deiner Per sönlichkeitsentwicklung abseits des Platzes? Ich würde sagen, das hat mir entwick lungstechnisch noch einmal einen richti gen Schub gegeben. Akademisch war Stan ford sehr anspruchsvoll. Die Balance, mich auf zwei Sachen im Leben voll zu konzent rieren, hat mir aber, denke ich, sehr gehol fen. Ich war immer schon ein Mensch, der sich nicht gerne nur auf eine Sache fokus siert. Ich habe gerne mehrere Dinge zu tun und bin sehr strukturiert – das war also eine tolle Kombination und ein guter Aus gleich. Wir hatten auch in all den vier Jah ren, in denen ich dort war, ein super Golf team. Die Motivation war stets hoch und mein Wille noch ausgeprägter als zuvor. Ich hatte den Ehrgeiz, mich für jedes Tur nier zu qualifizieren, und es war natürlich hilfreich für meine sportliche Entwick lung, mich am College regelmäßig mit den Besten messen zu können. Sei es jede Wo che bei den Turnieren oder im Training. Du lebst seit vielen Jahren in den USA. Was gefällt dir dort am meisten und gibt es etwas, das du an der deutschen Heimat vermisst?

Ich finde die USA schon toll, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auf Dauer mein Lebensmittelpunkt sein wird. Golftech nisch hast du natürlich enorm viele Vortei le in Florida, wo ich im Mai wieder hinge zogen bin. Die Qualität und Anzahl der Golfplätze, gepaart mit dem Wetter, sind einfach ideal. Man kann sich ganz anders auf die Turniere vorbereiten. Sport generell hat in den USA einen viel höheren Stellen wert. Wo ich wohne, ist so ziemlich alles sportorientiert. Es gibt wahnsinnig viele Wellness-Center, die vor allem Sport-Reco very anbieten. In Stuttgart muss ich da bei Google schon tief graben, um etwas zu fin den, das irgendwie in diese Richtung geht. In Amerika ist das alles total einfach und leicht zugänglich. Ich mache zurzeit gerade Kryotherapie (Anm. Kältekam mern von Minus 110 Grad Celsius), das ist in Deutschland super schwer zu finden. Als Athlet wird einem das Leben in den USA schon sehr viel einfacher gemacht. Aber natürlich vermisse ich Deutschland den noch sehr und genieße jedes Mal die Zeit, wenn ich hier bin. Wie verbringst du die Zeit abseits des Golfplatzes, wenn du mal Freizeit hast? Schwierig zu sagen, da ich gerade echt wenig Freizeit habe. Aber ich koche sehr gerne und versuche mich eigentlich kom plett vom Golf abzulenken. Ich rede auch

Bruder und die anderen Jungs ge halten, und irgendwann hat es Spaß gemacht, da ich auch ganz gut wurde. Ich habe zunächst mit 9-Loch Turnieren begonnen und bin dann durch die ganzen Kader in Baden-Württemberg gegan gen. Ich war oft auch das einzi ge Mädchen, das auf Lehrgänge mitgeflogen ist. Mit 12 oder 13 habe ich dann angefangen, inter nationale Turniere zu spielen. Ich erinnere mich noch gut, das erste Turnier war in Schottland. Das war natürlich eine ganz andere Art, Golf zu spielen. Ich konnte kaum im Wind stehen, aber es war eine super coole Erfahrung

STECKBRIEF: Name

Aline Krauter

Geburtsdatum

30. Dezember 1999

Geburtsort

Stuttgart

Wohnort

West Palm Beach, Florida

Nationalität

Deutsch

Größe

1.60 Meter

College

Stanford University

Profi

seit 2022

Aline Krauter beendete 2022 erfolgreich ihr Studium „International Relations“ an der Stanford University

Profisiege

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