GOLF TIME 7-8/2021
COVER | RYDER CUP
D er 43. Ryder Cup ist gelau- fen und er endete mit einem denkwürdigen, historischen 19:9 Sieg für die USA. Die neue Generation junger, un- erschrockener US-Boys folgte dem Ruf von Tiger Woods, der in Whistling Straits zwar nicht physisch, jedoch via Telefon omni- präsent war. So gab er den zwölf Mannen von Kapitän Steve Stricker vor den finalen Singles ein für die Gegner wenig charman- tes „Step on their necks“, also „Tretet ihnen auf den Hals“ mit auf den Weg. Mit einem Vorsprung von 11:5 nach den vier Vierer-Partien am Freitag und Samstag ausgestattet, benötigten die Amerikaner lediglich 3,5 Punkte aus den verbleibenden zwölf Single-Partien. Doch nach so vielen Demütigungen in den vergangenen Jahr- zehnten sollte es dieses Mal nicht nur ein Sieg über Europa werden, sondern dann auch einer für die Geschichtsbücher. Spä- testens als Collin Morikawa in der Partie gegen Viktor Hovland den Sieg mit einem geteilten halben Punkt auch formell fixiert hatte, war klar, dass es dieses Mal kein europäisches Wunder von Whistling Straits geben würde. Das europäische Team um Kapitän Padraig Harrington war in der Folge nur noch um Schadensbegrenzung bemüht, doch auch dieses Unterfangen misslang gründlich. Am Ende sah Europa im wahrs- ten Sinne des Wortes nur noch rot. In neun Partien lag man zwischenzeitlich zu- rück. Die USA, auf dem Papier traditionell deutlich besser besetzt als die Europäer, auf dem Platz aber oft auf der Verliererseite, erfüllten in diesem Jahr im US-Bundesstaat Wisconsin die hohen Erwartungen und durfte die Champagnerf laschen köpfen. Es war am Ende ein Kantersieg, der höchste in der modernen Ryder Cup-Geschichte. DOMINANZ AUF JAHRE HINAUS? Sucht man nach den Gründen für die Dominanz der Amerikaner, gilt es mehrere Faktoren zu beleuchten: Ein Team bestückt mit acht Spielern aus den besten zehn der Weltrangliste, frenetische Fans im Rücken (im Gegensatz dazu praktisch keine euro- päischen Fans, die aufgrund der Corona- Reisebeschränkungen nicht in die USA reisen durften) und ein Platz-Setup, das perfekt ausgelegt war auf die Stärken der Heimmannschaft.
QUO VADIS EUROPA? RYDER CUP Nach der historischen Klatsche gegen übermächtige
Ihm gelang sogar, dass Brooks Koepka und Bryson DeChambeau von ihrer Dauer- fehde der letzten Monate abließen und sich in den Dienst der Mannschaft stellten. Am Ende der Sieger-Pressekonferenz gab es dann auch noch eine – leicht übertrieben kitschige – Umarmungsszene der beiden, die unterstreichen sollte, welch tolles Team die USA denn doch sei. Für Steve Stricker, der zwölf Siege auf der PGA Tour feiern konnte, jedoch bei den vier Majors stets leer ausging, war es die Er- füllung eines Traums. In seiner Heimat Wisconsin den Ryder Cup abzuhalten und dann in Rekordmanier zu gewinnen, war das Tüpfelchen auf dem i einer erfolgreichen Karriere. „Dies ist mein Major“, merkte der 54-Jährige mit Tränen in den Augen an, bevor er stolz hinzufügte: „Diese Jungs haben sich hier gefunden und hatten diese Woche eine klare Mission. Dies ist eine neue Ära für den Golfsport in den USA." Wenn die Amerikaner in zwei Jahren in Italien den Ryder Cup verteidigen werden, wird dieMannschaft wohl ein ähnliches Ge- sicht wie in Whistling Straits haben. FedEx Cup-Champion Patrick Cantlay, Olympia- sieger Xander Schauffele, Open-Champion Collin Morikawa, die Team-Leader Dustin
Steve Stricker erfüllte sich mit dem Ryder-Cup- Sieg in seiner Heimat Wisconsin einen Traum
Amerikaner stellt sich die Frage, wie die Europäer in zwei Jahren in Italien den Spieß umdrehen können. Von Markus Scheck
Dazu schuf Steve Stricker in seiner Hei- mat Wisconsin ein Umfeld, das sein Star- Ensemble zur Höchstform auf laufen ließ. In der gesamten Woche hielt der Kapitän keine einzige hochtrabende Rede vor seinen Schützlingen. Er verzichtete auch darauf, ihnen Motivationsvideos zu zeigen, was viele seiner Vorgänger gerne machten. Als „Strick“ selbst noch im Ryder Cup als Spie- ler dabei war, machten ihn diese Taktiken nämlich immer nur noch mehr nervös. Es gab auch keinen Gala-Abend auf Seiten der Amerikaner und bis auf die Er- öffnungszeremonie keine außertourlichen Verpf lichtungen für die Spieler. Alles ging völlig „casual“ über die Bühne. Captain Stricker gestand jedem Spieler seinen Frei- raum zu, das zu tun was er wollte und sich so auf die Matches vorzubereiten, wie es dem Rhythmus eines jeden Einzelnen am ehesten behagt. Dazu setzte er auf eine elementare Inspi- ration für sein Team: Er hatte den jüngsten US-Kader seit Jahrzehnten und er wusste, dass diese Spieler den größten Teil ihres Lebens damit verbracht hatten, von der anhaltenden Dominanz Europas in dem Vergleichskampf zu hören. Die Amerikaner, von denen acht unter 30 Jahre alt waren, waren dieses Narrativs zunehmend über- drüssig geworden und brauchten daher weder eine Rede noch die schmetternde Titel musik von „Rocky“, um aufgerüttelt zu werden. Die Paarungen harmonierten von Anbe- ginn, die Stimmung blieb die ganze Woche lang bestens und so entstand der Nährboden für eine imposante Mannschaftsleistung beim größten Golf-Event der Welt. Stricker schaffte es, aus zwölf der besten Golfspie- ler der Welt ein Dream-Team zu formen.
Der Beginn einer neuen Ära? Team USA feiert in Whistling Straits einen historischen Triumph
Johnson, Justin Thomas und Jordan Spieth, dazu die Kraftpakete Bryson DeChambeau und Brooks Koepka sind aus dieser Mann- schaft eigentlich kaum wegzudenken. Dazu drängen weitere Jungstars, für die es dieses Mal noch nicht reichte, nach vorne. Allen voran Sam Burns, der in der Woche nach dem Ryder Cup bei der Sanderson Farms Championship seinen bereits zwei- ten PGA-Tour-Titel im Jahr 2021 holte und schon in den Top 20 der Weltrangliste
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