GOLF TIME 7-8/2021
COVER | RYDER CUP
zu finden ist, oder auch der „Rookie of the Year“ Will Zalatoris, der beim Masters in diesem Jahr Rang 2 belegte. VIEL SCHATTEN – WENIG LICHT Bei den Europäern überwog dagegen nach Beendigung des „Waterloo von Whistling Straits“ naturgemäß Tristesse. Dabei konnte man Kapitän Padraig Harrington eigent- lich wenig Vorwürfe machen. Der emsige Ire bereitete sich – ganz seinem Naturell ent- sprechend – auch auf seine Aufgabe als Anführer von Team Europe akribisch wie eh und je vor und überließ nichts dem Zufall. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die vorwiegend auf junges Blut setzten, vertraute Harrington stark auf den Faktor „Erfahrung“. Mit Sergio García und Ian Poulter gingen zwei Wildcards an hochdekorierte Vetera- nen, während das dritte freie Ticket dem Open-Champion von 2019, Shane Lowry, der erstmals bei einem Ryder Cup dabei war, zufiel. Das knappe Fazit nach der historischen Klatsche: Die Europäer hatten in der Gesamt- heit zu viele Schwachstellen im Team, viele davon waren britischer Natur. Der formschwache Rory McIlroy, der in den Vierern vieles schuldig blieb, schluchzte nach seinem versöhnlichen Einzelsieg über Xander Schauffele vor lauter Enttäuschung, nicht genug für sein Team getan zu haben. Ian Poulter, der sein Einzel gegen Tony Finau gewann, und Lee Westwood, siegreich gegen Harris English, beide waren analog eine einzige Enttäuschung in den Vierer-Partien, hatten ebenfalls Tränen in den Augen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die impo- sante Ryder-Cup-Karriere der beiden Englän- der mit einer großen Enttäuschung endete. Europas Team-Kapitän PadraigHarrington gab sich trotz Niedergeschlagenheit als Gentleman und fairer Verlierer und lobte primär den Gegner. „Sie haben alles richtig gemacht. Was auch immer ihr Plan war, sie
solides Golf am Straits Course. Am Ende war dies aber nicht genug und so las sich die Bilanz mit drei Niederlagen eher ernüchternd. „Es war eine große Ehre, Teil dieses Teams zu sein“, zeigte sich Wiesberger dennoch über- wältigt. „Ich hoffe, es war nicht zum letzten Mal. Ich werde alles dafür tun. Diese Woche war einzigartig für mich." GENERATIONENWECHSEL IM TEAM EUROPA NOTWENDIG Im Angesicht der dominanten Vorstellung der Amerikaner wird dem europäischen Golf-Fan beim Blick in die Zukunft sicher ein wenig bange. In zwei Jahren wartet vor den Toren Roms die ultimative Herausforderung, den Ryder Cup wieder nach Europa zu holen. Doch wer soll das bewerkstelligen? Noch wurde kein Kapitän mit dem Amt behelligt, Gerüchten zufolge habe aber wohl Lee Westwood die besten Karten, das Team im Marco Simone Golf Club anzuführen. Westwood ist, wenn man so will, auch Synonym für den bevorstehenden Genera- tionenwechsel, der zwangsläufig stattfinden muss. Mit Henrik Stenson, Justin Rose, Francesco Molinari und Martin Kaymer fehlten schon jetzt wichtige Stützen der ver- gangenen Events, die leider allesamt in den letzten beiden Jahren in ein Form-Loch fielen. Neben Westwood scheinen auch die Tage des „Postman“ Ian Poulter gezählt. Die Leiden- schaft ist beim mittlerweile 45-jährigen Eng- länder zwar immer noch vorhanden, jedoch zeigte sich in Whistling Straits nur allzu deut- lich, dass man eben nicht von Verdiensten aus der Vergangenheit alleine leben kann. Es wird daher neben einem Jon Rahm und Viktor Hovland und einem hoffentlich wiedererstarkten Rory McIlroy noch mehr neues Blut benötigen, um im „Colosseum“ von Rom bestehen zu können. Wenn es um Rookies geht, hatte Europa in den letzten Jahren nicht wahnsinnig viel Glück, neue Gesichter zu kultivieren. Seit 2012 versäumten gleich elf verschiedene Rookies, sich ein wei- teres Mal für das Team zu empfehlen, darun- ter Spieler wie Thomas Pieters, Rafa Cabrera Bello oder Thorbjørn Olesen. In diesem Jahr gab es im Team Europe lediglich drei Roo- kies – Viktor Hovland, der 34-jährige Shane Lowry und der 35-jährige Bernd Wiesberger. „Das Team hat ein gutes Herz", beharrt Padraig Harrington auf positivem Spirit. „Alle reden immer von den erfahrenen Jungs, aber in diesem Team gibt es einige Spieler, die noch den Höhepunkt ihrer Karriere vor sich haben. Klar, wir würden uns natürlich über ein paar mehr junge Leute freuen, die in Zukunft kommen, aber das Herz dieses Teams wird sicher noch ein paar Jahre hier sein." GT
GLADIATOREN GESUCHT
4 ROBERT MACINTYRE Nationalität: Schottland / Alter: 25
Der aufstrebende Schotte wird schon als „neuer“ Colin Montgomerie gehandelt, wenngleich die großen Erfolge noch auf sich warten lassen. Der Linkshänder konnte im November 2020 in Zypern nach vielen zweiten Plätzen endlich seinen ersten European-Tour-Titel holen. Zwei Top-12-Platzierungen bei den diesjährigen Majors zeugen von der Wettbewerbsstärke des furchtlosen „Bravehearts“. „Bob“ war damit auch bereits ein heißer Kandidat für einen Platz im diesjährigen Ryder-Cup-Team, verlor jedoch in den Wochen vor der finalen Qualifikation ein wenig den Faden und musste dieses Mal noch zuschauen. Der gebürtige Engländer lebt seit seinem fünften Lebensjahr in den USA und wuchs im US-Bundes- staat Florida auf. Spielte für die University of Florida Collegegolf und gewann 2020 zwei Mal auf der European Tour. Der Brite führt momentan den Birdie-Durchschnitt mit 4,77 pro Runde auf der European Tour an. Nächster Schritt für Horsfield wird es sein, auch bei den großen Events zu zeigen, dass er aus besonderem Holz geschnitzt ist. Wäre keine Überraschung, ihn 2023 in Rom im Team Europe zu sehen. Der Bruder von Matthew Fitzpatrick, der in die- sem Jahr in Whistling Straits eine enttäuschende Vorstellung gab, ist momentan noch am US- College zugegen, plant aber nächstes Jahr den Wechsel ins Profilager. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder, der mehr für Präzision bekannt ist, gilt Alex als absoluter Longhitter, der am Wake Forrest College für Furore sorgt und als große Hoffnung in Europa gehandelt wird. Als zweimaliger Walker-Cup-Spieler bringt Fitzpatrick auch die nötige Erfahrung für den Team-Wettbewerb mit. 7 MATTI SCHMID Nationalität: Deutschland / Alter: 23 Im Juli sorgte Schmid bei der Open in Royal St George’s für Schlagzeilen, als er mit der Silver Medal als bester Amateur im Feld ausgezeichnet wurde. Während seiner Amateurkarriere zeigte Matti beeindruckende Leistungen und gewann die Europameisterschaften 2019 und 2020. Er war einer der führenden Spieler seines College-Golfteams an der University of Louis- ville und gewann das Old Town Club Collegiate Invitational. Seit seinem Wechsel ins Profi- lager in der Woche nach der Open lässt der gebürtige Regensburger keinen Zweifel daran aufkommen, dass er nicht nur eine der ganz großen Hoffnungen Deutsch- lands ist, sondern auch für den Ryder Cup wie geschaffen ist. 5 SAMHORSFIELD Nationalität: England / Alter: 25 6 ALEX FITZPATRICK Nationalität: England / Alter: 22
Wie wird sich Europas Nachwuchs entwickeln? Wird es mehr Garcías, Poulters und Rahms geben oder werden es hauptsächlich One-Hit-Wonder sein? Wir stellen Ihnen Spieler vor, die in zwei Jahren auf den Team-Zug aufspringen könnten und das Zeug zum „römischen Gladiator“ haben.
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Auf verlorenem Posten: Padraig Harrington konnte die historische Klatsche nicht abwenden
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haben ihn in dieser Woche richtig umge- setzt. Sie waren ein starkes Team, haben gut gespielt, waren stets im Aufwind und wären auch in den besten Zeiten schwer zu schlagen gewesen, wenn wir alle in Topform gewesen wären. Das ist ein großartiger Sieg für sie.“ In Topform präsentierte sich aufseiten der Europäer einzig der Weltranglistenerste Jon Rahm, der seiner neuen Führungsrolle im Team auch voll gerecht wurde. Im Zusam- menspiel mit seinem spanischen Landsmann Sergio García ließ das Duo im Ansatz Erin- nerungen an das legendäre Tandem Severiano Ballesteros und José Maria Olazábal auf- kommen. Auch wenn Rahm das finale Ein- zel gegen Scottie Scheff ler verlor, so lag es an ihm, dass wenigstens ein Hauch von Span- nung zu spüren war. Einer der wenigen Lichtblicke war auch der norwegische Rookie Viktor Hovland. Der 24- jährige Shootingstar zeigte die ganze Woche lang keinerlei Nerven und bot den Amerika- nern toll Paroli. Hovland wird auch in Zu- kunft eine der ganz wesentlichen Stützen im europäischen Team sein und dem alten Kon- tinent hoffentlich noch viel Freude bereiten. Mit Bernd Wiesberger war erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs auch ein Öster- reicher Teil des Teams. Der 35-jährige Bur- genländer spielte als spätberufener Rookie
1 GUIDOMIGLIOZZI Nationalität: Italien / Alter: 24
Der aufstrebende Italiener wäre natürlich die Feelgood-Story schlechthin in Rom 2023. Der zweifache Sieger auf der European Tour war schon in diesem Jahr nahe dran an einer Qualifikation und bewies mit einem vierten Platz bei seinem Major-Debut, den U.S. Open, dass er für die große Bühne geschaffen ist. Migliozzi bringt alles mit, was es für einen er- folgreichen Ryder Cupper braucht: Leidenschaft pur, Biss und Nervenstärke. Dass er auch noch richtig gut aussieht, macht ihn bei den Fans nicht unbeliebter. Sollte Francesco Molinari wieder zu alter Form finden, ginge vielleicht der Traum der Italiener von einem Azzurri- Vierer vor heimischem Publikum in Erfüllung. Der Jungspund aus Dänemark gilt als die große Zukunftshoffnung des europäischen Kontinents. 2019 als Teenager ins Profilager gewechselt, konnte der Däne bereits drei Siege auf der European Tour verbuchen, zuletzt beim Omega European Masters in Crans-sur-Sierres. Er war der erste Spieler, der in den 2000er-Jahren geboren wurde und einen Titel auf der European Tour erringen konnte. Und er ist der jüngste Spieler, der jemals in diesem Alter bereits drei Titel innehatte. War gemeinsam mit Zwillings bruder Nicolai Teil des siegreichen dänischen Teams 2018 bei der Eisenhower Trophy. Der Zwillingsbruder von Rasmus Højgaard trat in diesem Jahr in die Fußstapfen seines bislang erfolgreicheren Bruders und konnte in der Woche nach Rasmus‘ Sieg in der Schweiz seinerseits die DS Automobiles Italian Open für sich entscheiden. Dass dieses Turnier aus gerechnet auf dem komplett überarbeiteten Marco Simone Golf Club, wo 2023 der Ryder Cup stattfinden wird, ausgetragen wurde, sollte Nicolai nicht zum Nachteil gereichen. Wenn der Weg der dänischen Zwillinge so weitergeht, darf sich Europa getrost auf ein mögliches neues Super-Paar freuen. 2 RASMUS HØJGAARD Nationalität: Dänemark / Alter: 20 3 NICOLAI HØJGAARD Nationalität: Dänemark / Alter: 20
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Jon Rahm über- nahm Führungs- verantwortung
Debüt mit gemischten Gefühlen: Bernd Wiesberger und Viktor Hovland
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