GOLF TIME 8/2019

GÖTZ ZITAT

Über seine letzte Runde

S eine Freunde wollten doch kurz vor 12 Uhr hier sein. Pünktlich zur Abschlagszeit. „Freunde“, knurrte er in sich hinein. „Pah!“ Es war schon 11.58 Uhr. Doch nur er stand auf dem Hügel. Mit seinem neuen Driver in der Hand. Den Ball schon auf dem Tee abgelegt. „Gehen Sie allein?“, vernahm er eine Stimme. Da war plötzlich einer. Niemand, den er kannte. Nur so ein Fremder. „Na toll“, lamentierte er stumm. „Jetzt muss ich auch noch mit irgendeinem jungen Kerl spielen.“ 11.59 zeigte die Uhr an. „Jetzt noch“, raunzte er dem Fremden unfreundlich zu. Ohne ihn eines rechten Blickes zu würdigen. „Spielen Sie mit oder hinter mir her. Das ist mir gleich.“ Sprach’s und schlug ab. „Holla“, entfuhr es ihm. Denn sein Ball flog. Ganz anders als üblich, wenn sich das Spielgerät gerade so vom Boden mühte, um wenig majes- tätisch nur einige Meter weit zu hoppeln. Jetzt zischte die Kugel wie lange nicht mehr gehört und kam erst in für ihn kaum noch sichtbarer Entfernung zum Liegen. „Schöner Schlag“, lobte der Fremde freund- lich. Erfreut über das Ergebnis, doch gleichsam verärgert über die Erkenntnis, dass seine soge- nannten Freunde diesen Glückstreffer nicht hatten bezeugen können, schlurfte er grum- melnd zu seiner Golftasche. Auch der Fremde traf seinen Ball ganz passabel, nahm er zur Kenntnis. Jedoch blieb dieser kürzer als sein eigener. Das freute ihn. Beim Gang über das Fairway blieb er schweig- sam, doch blickte er hin und wieder verstohlen zurück, ob nicht doch noch die Freunde auftau- chen würden. „Freunde“, murmelte er. „Pah!“ Heute schien der Golfplatz wie ausgestorben. Seltsam, war es doch ein Gemälde von einem Spätsommertag. Warm, nicht heiß. Luftig, nicht windig. Hell, nicht grell. Achselzuckend visierte er das Grün an. Wann hatte er hier zuletzt nur noch ein so kurzes Wedge für den zweiten Schlag benötigt? Und überhaupt, was fühlte er sich gut! Obwohl er sich kaum der Rede wert aufgewärmt hatte, schwang er entschlossen zurück. Seine Schul- tern ließen kein Knacken ertönen. Das Rückgrat jaulte auch nicht gequält auf. Sogar die Hüfte drehte mit. Sein Ball beschrieb eine hohe Parabel- kurve und klatschte dicht neben der Fahne auf, touchierte den Stock und blieb nur Millimeter vom Loch entfernt liegen. „Hol’s der Teufel“,

platzte es aus ihm heraus, und seine Mund- winkel erforschten Regionen, die sie schon sehr lange nicht mehr gefunden hatten. Der Fremde fand anerkennende Worte. In seinem nächsten bewussten Augenblick beobachtete er sich dabei, wie er angeregt mit dem Fremden schwatzte. Es gab so viel zu erzäh- len. All die schönen Anekdoten, die er mit den Spielbahnen verband. Als er auf Loch 4 erleben durfte, wie seine Enkelin ihr erstes Par gespielt hatte. Und damals auf Bahn 7, als ein Rudel Rehe unbeeindruckt vom Rufen und Winken der Golfer im Rough neben dem Fairway äste. Sie wanderten zum elften Grün und er fand seinen Ball inmitten des Sandbunkers. Er erin- nerte sich an die Clubmeisterschaft vor 29 Jahren, als er aus eben dieser Lage einlochen konnte. Als wäre es gestern gewesen, fräste sich sein Wedge präzise durch den weichen Sand. Und genau wie damals traf er ins Loch. Sein plötzliches lautes Lachen überraschte ihn selbst so sehr, dass er kurz nach Luft schnappen musste. Nun war es an dem Fremden, ihm etwas zu er- zählen. Eigentlich hasste er es, wenn ihm jemand ein Gespräch aufzwang, während er sich gerade „in der Zone“ befand. Doch die Beschreibun- gen von Golf auf Plätzen in exotischen Gefilden zogen ihn in ihren Bann. Fast war es ihm, als könnte er diese märchenhaften Landschaften sehen, von denen der Fremde sprach. Beseelt von den Schilderungen, betrachtete er das Gelände, das er schon unzählige Male sturen Blickes beschritten hatte, mit neuen Augen. Wie ein wohltönender Vielklang harmonierten der Wald, die Wiesen, die Hügel und die Täler mit seinem Golfplatz. Erstaunlich, dass ihm das so noch nie aufgefallen war. Der Fremde hielt inne, als würde er lauschen. Dann erreichten sie die 18. Er schlug sein Lieblingseisen auf dem kurzen Par 3 und noch bevor der Ball gelandet war, wusste er, dass dieser das Loch treffen würde. Ohne eine Sekunde darüber nachzudenken, umarmte er den Frem- den, während Tränen der Freude über seine falti- gen Wangen kullerten. Als sich sein Blick wieder klärte, waren sie alle da. Seine wunderschöne Frau. Die Kinder, die Enkel, die Freunde. Und sie alle hatten sein Ass gesehen! Die Uhr zeigte jetzt genau 12. An der Hand des Fremden spazierte er vergnügt davon. Es war ein herrlicher Tag. GT

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Stellv. Chefredakteur

„Isn’t it fun to go out on the course and lie in the sun?“ (Bob Hope)

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GOLF TIME | 8-2019

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