GOLF TIME 1/2020

TRAINING | SPORTPHYSIO

DR. CHRISTIAN HAID Biomechaniker, Universitätsklinik Innsbruck

www.golfherztirol.at

ZUSÄTZLICHES WISSEN GOLFPHYSIK Verschiedene Aspekte des Golfschwungs physikalisch betrachtet. D ie Physik spielt im Golf eine vielfäl- tige Rolle. Sie erklärt z. B. den Ball- kontakt, die Entstehung des Back- spins, die Flugbahn des Balles und

Die Schlagweite und die Flugbahn des Balles hängen somit vom bewegten Schlägerkopf ab, seiner Masse, der Neigung seiner Schlag- fläche, seiner Geschwindigkeit und den elastischen Eigenschaften hauptsächlich des Balles. Die Golfbälle mittlerer Preisklasse haben heutzutage alle schon eine sehr gute Qualität und die Unterschiede sind relativ gering. Aus all dem bisher Gesagten ergibt sich eine ernüchternde Schlussfolgerung. HAUPTURSACHE Wenn all diese Einflussgrößen physika- lisch festgelegt sind und nur geringe Unter- schiede aufgrund von Materialeigenschaften vorliegen, dann hängt das erzielte Ergebnis hauptsächlich von unserem Schwung ab. Wir bewegen mit unserem Körper den Schläger, das nennen wir Golfschwung, und der ist die Hauptursache, wie weit und wohin der Ball fliegt. So verlockend es auch sein mag, einen neuen Driver zu kaufen, unser Schwung ist die Haupteinflussgröße. Trotzdem bin ich ein Verfechter vom Kauf einer guten Golfaus- rüstung. Wenn der Klang beim Ballkontakt wohltuend ist, wenn der Schläger gut in der Hand liegt, dann übt man auch lieber. Freude und Spaß sind eine wichtige Motivation. MECHANISMEN Die Beschleunigung des Schlägerkopfes hat sehr viel mit Drehmomenten zu tun. Führt man zu diesem Thema Berechnungen durch, dann stößt man auf einDifferenzialgleichungs- system, das nicht ganz einfach zu lösen ist. Damit meine ich, man rechnet einige Monate daran. Dieses Differenzialgleichungssystem können wir mit Gefühl lösen. Dazu muss man aber wissen, welche Mechanismen den Schlägerkopf schnell wer- den lassen und mit welcher Bewegung diese ausgelöst werden. Intuitiv setzen wir unsere Muskelkraft falsch ein, die Lösung findet man entweder als Kind, dem keine Kraft zur Verfügung steht, oder als Erwachsener, der bereit ist, sich die Physik des Golfschwunges erklären zu lassen. GT

vieles mehr. Man kann verschiedene Aspekte des Golfspiels mit physikalischem Hinter- grundwissen betrachten. Dazu gehören oben erwähnte Stoßphänomene, die Strömungs- lehre beim Ballflug, die Erzeugung von Dreh- momenten zur Schlägerkopfbeschleunigung und die Belastungen in unserem Körper. Letzteres ist dem Fachgebiet Biomechanik zugeordnet, da sehr viel zusätzliches Wissen aus Anatomie und Physiologie einfließt. MACHTLOS Betrachten wir einmal den Ballkontakt. Hier gelten Energie-Erhaltung und Impuls-Erhal- tung. Die Kontaktdauer beträgt weniger als 0,001 Sekunden. Daraus folgt, dass wir im Moment des Ballkontaktes überhaupt nichts tun können, die Zeit dafür ist viel zu kurz. Unsere Aufgabe ist es, den Schlägerkopf auf eine Bahn zu bringen, mit der ein von uns ge- wünschter Kontakt mit dem Ball stattfindet. Wir haben daher nur Einfluss auf die Be- wegungsbahn des Schlägerkopfes, seine Aus- richtung und seine Geschwindigkeit. Alles andere, worüber wir dann sprechen, ist damit

Tiger Woods

schon festgelegt. Ob Slice oder Hook, ob Fade oder Draw, ob Backspin oder dünn getroffen, wir haben mit unserer Schwungbewegung die Randbedingungen festgelegt. Auch die Schafthärte spielt im Moment des Ballkontaktes eine untergeordnete Rolle, denn in dieser kurzen Zeit wirkt nahezu nur das Gewicht des Schlägerkopfes auf das Gewicht des Balles.

DER BALLKONTAKT IM ZEITRAFFER

Fotos: Christian Haid

Der Ballkontakt dauert weniger als 1/1000 Sekunde und ent- scheidet über den Ballflug. Die Bilder sind mit 1/20000 Sekunde belichtet und 12.500

Bilder pro Sekunde wurden belichtet. Man erkennt den Kontakt zwischen Schlägerblatt und Ball unterhalb des Schwer- punktes des Balles.

Dadurch entsteht ein Dreh- moment, das den Backspin er- zeugt. Der Ball wird komprimiert und man erkennt die begin- nende Rückwärtsdrehung.

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