GOLF TIME 4/2022
COVER | BERNHARD LANGER
Langer bekommt das zu spüren durch Kom mentare, die eindeutig zweideutig sind. Zu den bekannten Bonmots gehören unterdes sen Sätze wie: „Ich warte einfach darauf, dass Langer einmal nicht spielt. Dann habe ich auch eine Siegchance.“ Das ist natürlich eine Übertreibung und soll witzig klingen, doch die Dominanz Langers auf dieser Tour führt nicht zu allgemeiner Munterkeit und Stimmungsaufhellung. Als sich Phil Mickelson nach seinem vor erst letzten Erfolg auf der Champions Tour Ende vergangener Saison gleich hinter dem 18. Grün vor der Fernsehkamera zum Ge spräch aufstellte, bezog sich schon die zweite Frage des Interviewers auf Langer, der wie der einmal die Jahreswertung, den Charles Schwab Cup, gewonnen hatte. Mickelson antwortete schmallippig und kryptisch und sprach von einemGoldstandard – was immer das auch sein soll –, den Langer mit seinen Leistungen setze. Der Amerikaner spricht eben viel lieber über sich selbst. Langer, immer wieder Langer, das nervt schon mal den einen oder anderen Mitspie ler. Langer selbst nimmt unterdessen eine ge wisse Distanz unter den Kollegen wahr. Bei dem einen oder anderen, sagt er, würde der Neid schon spürbar. Doch die Mehrheit der Kollegen zollt ihm weiterhin Respekt und Anerkennung. Steve Stricker sagt, Langer sei „methodisch, zielorientiert und ein harter Arbeiter“. Mark Calcavecchia: „In seinem Alter ist er unglaublich inspirierend.“ Und Mark O’Meara, ein weiterer Amerikaner: „Er ist unglaublich! Fokussiert, geradlinig und diszipliniert.“ Und Steve Flesch: „Er ist der alterslose Terminator!“ Die Anerkennung anderer Profis muss man nicht überbewerten, aber nicht ab zustreiten ist, dass die Herrschaften über einen Kollegen sprechen, der Mitte 60 ist. So dominierend und konstant ist vor Lan ger jedenfalls noch nie ein Golfer über 50 aufgetreten. Doch alle diese Details dringen nicht durch in die deutsche Öffentlichkeit.
Alter jenseits der 50 noch möglich ist. Er wiegt noch heute nahezu genauso viel – oder sollte man besser sagen wenig – wie im Alter von 20 Jahren, nämlich rund 74 Kilo. Er dosiert sein Training heute anders als zu Beginn seiner Karriere, er teilt sich die Anzahl der Turniere ein, die er spielt, und er stellt sich psychologisch immer wieder neu auf seine gegenwärtigen Lebensbedin gungen ein. Langers vier Kinder leben inzwischen alle nicht mehr im Elternhaus, was ihm Freiräu me schafft, um seine Karriere noch einmal neu zu gestalten. Allerdings sind zu den Kindern inzwischen vier Enkelkinder dazu gekommen, Langer ist Opa geworden, aber einen agileren Großvater als ihn wird es in Deutschland kaum geben. Denn bereit zu sein für den Wettkampf, die Auseinander setzung Spieler gegen Spieler, geht nur dem leicht von der Hand, der auch Erfolg hat. Bubba Watson, der wie Langer zweimal beim US Masters gesiegt hat, hat 2021 ein Buch veröffentlicht, in dem er schonungs los seine seelischen Qualen beschreibt, die ihm die sportlichen Rückschläge in seiner Karriere bereitet haben. Er verlor schließlich so viel Gewicht, dass er um sein Leben zu fürchten begann. Auch Langer hatte Krisen zu bewältigen. Es gab Momente, und zwar schon sehr früh in seiner Karriere, in de nen er sich seinem Bruder Erwin gegenüber öffnete und vollkommen ratlos war, wie es weitergehen sollte. Es gab den Gedanken aufzuhören. Doch Langer hat die Krisen be wältigt, die meist durch seine Probleme beim Putten ausgelöst wurden. Ja, er hat dagegen antrainiert wie kaum ein anderer, aber er hat auch neue kreative Wege entwickelt, um seine Schwächen zu bekämpfen. So entstand auch ein Puttergriff, bei dem der Schaft an den linken Unterarm fixiert wurde. Das Ziel dabei war, den Einf luss der Handgelenke zu minimieren. Diese Methode half ihm, auf die große Bühne des Golfsports zurück zukehren. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die die Ursachen sind für die lange und erfolgreiche Karriere des Golfers Bernhard Langer. Wer sich intensiv mit seinem Leben auseinander setzt, findet Antworten, die womöglich völlig unabhängig von seinem Sport Wege aufzeigen für eine erfolgreichere und gesün dere Gestaltung des eigenen Lebens. Eines darf dabei jedem von vornherein klar sein: Der „Bub“, wie ihn seine Mutter immer nannte, ist nie den leichten Weg gegangen. Für ihn hat er sich gelohnt, ohne jeden Zwei fel. Aber von den Pfaden, die er eingeschla gen hat, mehr zu erfahren, kann sich für jeden lohnen. Ob nun Golfer oder nicht. Und das könnte am Ende doch noch zu einer Anerkennung seiner sportlichen Lauf bahn und seines Lebensverlaufs führen, die er mehr als verdient hat. GT
Fällt auf den Golfplätzen jedoch sein Name, ist ihm ein bewundernder Respekt sicher. Aber reicht das für einen, dessen große Kar riere nun schon seit mehr als 45 Jahren (!) andauert? Ein Ende dieser Karriere kann jeder erahnen, es zeichnet sich aber noch nicht konkret ab. KEIN SPASS AM RAMPENLICHT Langer selbst ist Teil der großen Stille um ihn herum. Er hat nämlich nie besonderen Wert darauf gelegt, wirksame Auftritte vor Fernsehkameras hinzulegen. Als er ein mal vor vielen Jahren zu Gast im Aktuel len Sportstudio im ZDF war, begleitete ihn sein ewiger Widersacher und Konkurrent Severiano Ballesteros in den Sender. Als der Moderator schließlich darum bat, doch mal eine Kostprobe ihres Könnens mit Schläger und Ball zu demonstrieren, trat Langer in den Hintergrund und überließ dem charis matischen Spanier den Vortritt. Ballesteros ließ daraufhin den Ball auf seinem Schläger tanzen und sorgte damit für beste Unterhal tung. – So aber ist Bernhard Langer, er hat nie das Rampenlicht gesucht. In Talkshows des deutschen Fernsehens war er zudem niemals zu Gast. Dabei gäbe es sogar heute viele gute Gründe, ihn zu Gesprächen einzuladen. Wie er sich seine Kräfte, seine Fitness und seine Fähigkeit bewahrt, im fortgeschrittenen Alter kon kurrenzfähig zu bleiben, geht weit über das Vorbild eines Golfers hinaus. Langer hat viele Jahre vor Tiger Woods er kannt, dass regelmäßiges kompensierendes Training zu den einseitigen Belastungen sei nes Sports die Voraussetzung für eine lange Karriere ist. Er hat vor vielen Jahren auf An raten seines (inzwischen verstorbenen) Trai ners Willi Hofmann damit begonnen, seinen Schwung so zu verändern, dass der Ablauf, die Sequenz seiner Bewegungen, auch im Langer mit seinem langjährigen Trainer Willi Hofmann, der im Januar dieses Jahres gestorben ist.
Severiano Ballesteros, der 1994 das von den Brüdern Langer veranstaltete Mercedes German Masters in Motzen gewann, gehörte über Jahr zehnte zu den großen Gegenspielern Langers.
28 GOLF TIME | 4-2022
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