GOLF TIME 4/2022
KOLUMNE
ÜBER DEN SPALTPILZ UND WIE MAN IHN BEKÄMPFT Die Profigolfwelt, wie wir sie kannten und wertschätzten, ist Geschichte. Mit dem Start der LIV Tour betritt ein neuer Spieler den Platz, der über schier unerschöpfliche Mittel und keinerlei Skrupel verfügt.
er Teil dieser LIV Tour werden möchte, sollte wenigstens wissen, mit wem er sich da ins Bett legt. Denn die vielen, vielen Millionen, mit denen die LIV Tour die
zahlreichen „Welt“-Verbänden ausgegeben werden, während der gelangweilte Zuschauer eine „Rocky“- DVD einlegt. So wird die Wertigkeit der vier Majors im Golf sicher auch nicht unbeschadet bleiben, sollte die LIV Tour eigene Großereignisse auf die Schienen stellen, weil deren Söldnertruppe in Augusta oder bei der PGA Championship nicht länger geduldet wird. Und die offene Rebellion von DeChambeau, Johnson oder Koepka auf amerikanischer Seite bzw. der Europäer Poulter, García oder Casey wird auch nicht dazu führen, dass die Fans des Ryder Cups eine Dankes karte an Greg Norman werden schicken wollen. Und warum und wofür das alles? Weil ein paar ohnehin superreiche Golfstars den Hals nicht voll bekommen können bzw. eine Riege einst klangvoller Namen, deren beste Tage lange zurückliegen, einen letzten großen Zahltag wittert. Ja, ich spreche auch von Ihnen, Herr Kaymer. „Ich habe lange nachgedacht. Aber wenn man hinter alle Kulissen guckt, ist das auch nicht viel anders“, sagte der deutsche LIV-Spieler, der seit 2014 kein Turnier mehr gewinnen konnte. Die LIV Tour sei auch nicht „besser oder schlechter“. Man möchte kotzen. Die LIV Tour stellt(e) nicht nur ihm, sondern allen Freunden des Golfsports die Gretchenfrage. Aufsei ten der Spieler hat Tiger Woods bewiesen, dass nicht jeder käuf lich ist, als er einen hohen neunstelligen Betrag für einen Wechsel zur LIV Tour ausschlug. Eine Entscheidung, die ihm vielleicht leichter gefal len sein dürfte als Andy Ogletree, der seit seinem PGA-Tour-Debüt 2020 nur schlanke 38.186 Dollar verdienen konnte. Für seinen Auftritt beim ersten LIV Event zahlte man dem Amerikaner die dreifache Summe aus. Obwohl er Letzter wurde. So viel zum Leistungsprinzip. Wir Zuschauer haben jedoch das effektivste Mittel gegen LIV selbst in der Hand, die Fernbedienung. Nur wenn wir diesem Spaltpilz eine Daseinsberechti gung einräumen, werden nicht nur Massenmörder gesellschaftliche Relevanz erhalten, sie werden zu dem den Golfsport, wie wir ihn lieben, zerstören. Und da schalte ich lieber ab! GT
W
wechselwilligen Golfstars und Sternchen bewirft, stammen ausschließlich aus dem Public Investment Fond (PIF) Saudi-Arabiens, der von Kronprinz Mo hammed bin Salman persönlich verwaltet wird. Der autoritäre Staatschef will das Vehikel Profigolfsport nutzen, um von der katastrophalen Menschenrechts lage in Saudi-Arabien abzulenken. Einem Land, in dem das Gesetz der Scharia herrscht. In dem Menschen nach dem Willkürprinzip verschleppt, gefoltert, verstümmelt und getötet werden. Jeden Tag. Auch heute. Für jedermann nachvollziehbar. Auch für die Protagonisten der LIV Tour. Gleichwohl haben auch die beiden großen Golftou ren schon lange nichts mehr mit dem romantischen Wettkampf zu tun, den Idealisten wie Bobby Jones oder Ben Hogan einst zelebriert haben. Und sicher nicht jeder Turniersponsor würde eine „Mutter Tere sa Gedächtnismedaille“ erhalten. Allerdings schlach ten die wenigsten von ihnen unliebsame Journalisten ab oder kreuzigen Teenager. Golf ist spätestens seit Tiger Woods zum Big Business mutiert. Heutzutage verdient selbst die Nummer 100 im PGA-Tour-Ranking eine Million Dollar pro Jahr, allein nur an Preisgeld. Doch gegen die absurde Flut blutgetränkter Erdöl-Dollars nimmt sich selbst das Budget der amerikanischen Top-Tour aus wie eine bessere Armenspeisung. Alles, was man diesem Geld-Tsunami entgegenstellen kann, sind Tradition und sportliche Relevanz. Doch er spült auch einen eklatanten Mangel an Innovation, Kreativität und das Unvermögen der PGA Tour frei, neue, jüngere Zielgruppen anzusprechen. Die Leidtragenden des „Golfkrieges“ sind neben Ethik und Moral leider vor allem wir Zuschauer. Eine tiefgehende Spaltung der Profigolfszene asphaltiert den Weg in eine dystopische Zukunftswelt, wie sie bspw. im Boxsport schon lange Realität geworden ist. Dort schnallt sich eine inf lationäre Masse an Cham pions die wertlosen Trophäengürtel um, die von den
GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Fanatischer Handicap 8,2-Golfer mit Hang zu unverblümter Meinungsäußerung
„Und warum und wofür das alles? Nur weil ein paar ohnehin superreiche
Golfstars den Hals nicht voll bekommen können!“
50 GOLF TIME | 4-2022
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