GOLF TIME 6/2022
KOLUMNE
WENN DER SPASS EIN LOCH HAT „Denke ich an Golf in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht. Ich kann nicht mehr die Augen schließen und meine heißen Tränen fließen.“ Götz Schmiedehausen mit einer eher düsteren Bestandsaufnahme des aktuellen Geschehens.
G
olf gilt gemeinhin als ein Sport, bei dem man die Sorgen am Abschlag vergessen kann. Doch wer je ernsthaft Golf gespielt hat, der weiß, dass die Probleme hier
dukt unter die Leute zu bringen. Schöne neue Welt, sage ich da nur! Und dabei sind das noch nicht einmal unsere größten Sorgen. Mitten in Europa herrscht Krieg und wir sehen uns plötzlich mit der sehr realen Möglichkeit eines nuklearen Armageddons konfrontiert. Aber selbst wenn der Irre in Moskau nicht auf den roten Knopf drücken sollte, wird die drohende weltweite Rezession in den kommenden Jahren über die ohne hin schon gebeutelte Golfwelt hinwegdonnern. Und viele Menschen werden feststellen, dass Golf zwar die schönste Nebensache der Welt sein mag, aber eben nicht überlebenswichtig ist. Ich bin gespannt, wie viele der aktuell 722 Golfanlagen in Deutschland diese Gemengelage überstehen werden. Zu allem Überf luss werden in der Heckwelle der Kri se wieder allerorts brandgefährliche Extremisten an die Oberf läche ploppen. Auch in den USA bringt sich der Clown mit dem orangen Teint erneut in Stellung, der im Alleingang das Image des Golfsports nachhal tig beschädigt und das Betrügen im Golf salonfähig gemacht hat – neben der Erstürmung eines Parla mentsgebäudes oder dem pauschalen Anzweifeln de mokratischer Prozesse, versteht sich. Genau das Per sonal also, dass wir in diesen Krisenzeiten brauchen. Habe ich noch etwas vergessen? Ach ja, die Golf saison ist fast vorbei, es wird wieder kalt und bald beginnt der Winter. Bis der Spielbetrieb im Frühling wieder aufgenommen werden kann, haben sich die meisten unserer mühsam erarbeiteten Golffortschrit te wahrscheinlich schon wieder in Wohlgefallen aufgelöst. Genauso wie unser Geschmacks- und Geruchssinn dank der überstandenen x-ten Corona Infektion. Das liest sich jetzt alles so derart deprimierend, dass ich Ihnen wenigstens einen aufheiternden Witz schuldig bin: „Warum gilt das Golfspiel als eine der brutalsten Sportarten der Welt? Weil ständig Ladies geschlagen werden und alle Nase lang jemand tot an der Fahne liegt.“ Und der war noch nicht einmal lustig … GT
eigentlich erst ihren Anfang nehmen. Bislang jedoch bewegte sich das Krisenpotenzial weitestgehend im Rahmen seiner sportlichen Möglichkeiten, also be schränkt auf einen Ball, 14 Schläger und 18 Löcher. Und wer die mehr oder weniger niederschmetternde Bestandsaufnahme der eigenen Unzulänglichkeit überstanden hatte, erfreute sich vor dem Fernseher daran, wie Tiger Woods ein Golfturnier gewann. Mann, waren das noch goldene – und vor allem un beschwerte – Zeiten. Heute ist man schon froh, wenn der Golfclub nicht wegen einer weltweiten Pandemie geschlossen bleiben muss. Oder wenn noch ein grüner Halm auf dem Fairway zu finden ist, nachdem ein weiterer Jahrhundertsommer die Golfanlage in etwas verwan delt hat, das man bislang nur aus exotischen Wüsten regionen kannte. Und während in uns Clubgolfern plötzlich die Sorge aufzukeimen beginnt, wie lange wohl der eigene Golfclub angesichts des nicht zu verleugnenden Klimawandels und der Energiekrise noch überleben wird, droht auch der Profisport, wie wir ihn kennen und lieben, zu zerbrechen. Schuld daran ist die vom saudischen Königshaus finanzierte LIV Tour, die mit absurden Geldf lüssen das Gefüge der Golftouren spaltet. Dustin Johnson beispielsweise, immerhin eine ehemalige Nr. 1 der Welt, verdiente allein in den vergangenen sechs (!) Monaten 31 Millionen Dollar Preisgeld auf der LIV Tour. Hinzu kommen 125 Millionen für seine Abkehr von der PGA Tour, auf der er seit 2008 „nur“ 75 Millionen erspielen konnte. Angesichts dieser astronomischen Summen erliegen immer mehr Spieler dem Lockruf des Geldes, wäh rend Traditionsveranstaltungen wie der Ryder Cup oder die Majors zwangsläufig an Relevanz einbüßen werden. An ihre Stelle drohen aufgeblasene Retorten Spektakel zu treten, für deren TV-Übertragungen die LIV Tour sogar noch Geld bezahlen muss, da kein Sender freiwillig bereit ist, das unhygienische Pro
GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Ambitionierter Hcp-8,2-Golfer mit Hang zu unverblümter Meinungsäußerung
„Heute ist man schon froh, wenn der Golfclub nicht wegen einer weltweiten Pandemie ge schlossen bleiben muss.“
34 GOLF TIME | 6-2022
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