GOLF TIME 6/2023

COVER | HENRIK STENSON

„LIV FÜHLT SICH NEU UND FRISCH AN. DER START IN DIE SAISON 2023 WAR FÜR MICH DER MOTIVIERENDSTE SEIT LANGER, LANGER ZEIT.“

„NATÜRLICH WAR EIN TEIL MEINER ENTSCHEIDUNG, AN LIV-GOLF-EVENTS TEILZUNEHMEN, KOMMER ZIELL BEDINGT, ABER AUCH DAS FORMAT, DER ZEITPLAN UND DAS KALIBER DER SPIELER WAREN WICHTIGE FAKTOREN. ICH SETZE MICH DAFÜR EIN, DAS SPIEL WEITERZUENTWICKELN UND ES ALS POSITIVE KRAFT

den war. Er verdiente einen Großteil seines Geldes zurück, als er 2013 den FedEx Cup und das Race to Dubai sowie drei Jahre später die Open Championship in Royal Troon gewann. Dennoch wurde er von LIV stets als „leichte Beute“ betrachtet. „Ich bin mit meiner Entscheidung zufrie den und bereue sie nicht“, sagte er. „Nach 20 Jahren auf der DP World Tour gab es ge gen Ende viele Wochen, in denen dieser zu sätzliche Kick nicht mehr vorhanden war. Mit LIV fühlt es sich wie etwas Neues und Frisches an. Der Start in die Saison 2023 war der frischeste und motivierendste seit langer, langer Zeit.“ Und er ergänzt: „Das Spielen auf zwei Touren, wie ich es den größten Teil meiner Karriere getan habe, hat irgend wann seinen Tribut gefordert. Es ist hart, keine richtige Nebensaison wie in anderen Sportarten zu haben. Das ist etwas, was ich viele Jahre vermisst habe. Das machte für mich einen großen Teil des Reizes von LIV aus, und dann sind da noch andere Dinge wie das Teamformat. Einige mei ner schönsten Erinnerungen stammen von den Teilnahmen an Teamevents wie World Cups und Ryder Cups. Von den vier Team mitgliedern zählen die drei besten Scores und jeder gibt alles, um nicht die Nummer vier zu sein. Das bringt auf jeden Fall eine Extraportion Motivation, würde ich sagen.“ TEAM MAJESTICKS ALS UNTERNEHMEN Stenson teilt sich derzeit die Kapitänsauf gaben des Team Majesticks mit Ian Poul ter und Lee Westwood. Es ist eine interes sante Dynamik, die möglicherweise beim diesjährigen Ryder Cup eingetreten wäre, wenn Stenson noch das Sagen gehabt hätte. Westwood und Poulter hätten mit ziemli cher Sicherheit in Rom für Stenson gespielt oder ihn unterstützt. Doch jetzt liegt ihr gemeinsamer Fokus auf dem Aufbau des Franchise ihres eigenen Teams an der Seite von Sam Horsfield. „Die Tatsache, dass Ian, Lee und ich uns auf den ‚Back Nine‘ unserer Karriere be finden, lässt sich nicht leugnen“, so Sten son. „Es wird einen Tag geben, an dem wir nicht mehr aktiv spielen werden. Dies gibt uns die Möglichkeit, im Sport engagiert zu bleiben, sei es durch die Zusammenarbeit

ZU NUTZEN.“ HENRIK STENSON

Henrik Stenson landete in den Armen von Greg Norman und LIV und holte dort gleich bei seinem ersten Auftritt im Trump National Golf Club in Bedminster, New Jersey, den Sieg

Das Golferbe des Schweden wird für immer mit der Open Championship verbunden sein. Bei der Auflage 2016 in Royal Troon feierte Stenson seinen bislang einzigen Major-Titel

Das hätte es eigentlich sein sollen, doch die Gerüchteküche brodelte weiter. Und seine Kehrtwende wurde schließlich zum größ ten ungehüteten Geheimnis des Golfsports. Stensons Wechselprämie soll sich auf rund 40 Millionen U.S.-Dollar belaufen haben. Der Sieg bei seinem LIV-Golf-Debüt spül te weitere vier Millionen U.S.-Dollar in die Kasse – eine überaus lukrative Rendite für drei Arbeitstage in New Jersey. „Ich denke, wir sind uns einig, dass ich wie ein Kapitän gespielt habe“, scherzte Stenson anschließend bei der LIV-Golf Siegerehrung. ANDERE MASSSTÄBE IM GOLF – ABER WARUM EIGENTLICH? Mittlerweile ist er in seiner Einschätzung weitaus diplomatischer und rechnet den Sieg im Juli aufgrund des Lärms, der ihn damals umgab, zu den „Top-Drei-Erfolgen“ seiner Karriere. Auch jetzt noch kämpft er darum, dem Hass in den sozialen Medien und den Fragen nach einer Mitschuld am „Sports Washing“ zu entgehen. Er kennt sich gut mit dem Thema aus und fragt sich, warum LIV und seine Mitglieder strenge ren Maßstäben unterliegen als etwa ande re Sportarten und Organisationen, die zu ihrem persönlichen Vorteil mit den Saudis Geschäfte gemacht haben. „Wenn ich im Laufe meiner Karrie re eine Aufstellung an Austragungsorten erstellt hätte, an denen alles perfekt war, dann hätte ich kein einziges Golftur nier gespielt“, sagt er. „Jeder Teil der Welt hat seine Herausforderungen und es gibt

Dinge, die verbessert werden können, sei es in den USA, in China, der Türkei, Dubai oder eben Saudi-Arabien.“ Der Schwede steht auf wackeligem Boden, wenn er sagt, dass er sich nicht mit der moralischen Komponente auseinander setzt. Im Gegensatz zu allen anderen hat er jedoch eine andere Seite moralischer Dimension in der Welt gesehen: Im Jahr 2010 verlor Stenson sein Privatvermögen, nachdem er Opfer eines Schneeballsystems seines Sponsors Stanford Financial gewor

mit Talenten, die das Potenzial haben, in unserem Team zu spielen, durch das Gewinnen von Partnern usw. Es eröffnet einfach viele Chancen und Möglichkeiten. Diese Seite ist sehr spannend.“ Das Team hat einen General Manager eingestellt, damit es finanziell funktio niert, und hat bereits drei Sponsoringver träge abgeschlossen – mehr als die anderen elf Teams zusammen. Greg Norman, CEO von LIV Golf, äußerte sich klar dazu, dass von jedem Spieler erwartet wird, dass er sein Team wie ein Unternehmen führt,

indem er Merchandising, Unterhaltung und andere Sponsoringmöglichkeiten verkauft. Das hört sich nach viel an, aber Stenson sieht im Geschäftsmodell von LIV trotz der anhaltenden Unsicherheit beispielsweise über die Anerkennung in der Weltrangliste nur Positives. „Es existiert alles gerade einmal zwölf Monate und hat in so kurzer Zeit eine bemerkenswerte Wirkung erzielt“, sagt er. „Die Turniere sind immer erfolgreicher geworden, mit dem bisherigen Höhepunkt in Adelaide. Das war ein tolles Turnier mit vielen Zuschauern und das Gesamtpaket war bisher

itiative namens „Little Sticks“, die darauf abzielt, eine Reihe von Golfprogrammen für Nachwuchsspieler anzubieten. „Wir führen solche Initiativen schon seit Jahren durch, aber LIV ermöglicht es uns, das noch weiter auszubauen“, erklärt er. „Wir hatten eine große Gruppe von Kin dern in Orlando und wir haben die positive Wirkung wirklich gespürt, als wir mit den Eltern gesprochen und die Dankes-E-Mails und Briefe gelesen haben. All diese kleinen Dinge haben eine große Wirkung. Mich hat es besonders gefreut, so viele Jugend liche bei den Veranstaltungen zu sehen. Das wird enorme Auswirkungen auf das Golfspiel haben und dazu beitragen, eine jüngere Zielgruppe für den Golfsport zu gewinnen. Das ist sehr aufregend.“ Stenson muss sich ein wenig davon lösen, sich zu sehr mitreißen zu lassen. Er weigert sich, darüber zu spekulieren, was die Zukunft für ihn oder LIV bereithält. Er schließt jedoch nichts aus und sieht als unabhängiger Spieler mit einem jungen Platzdesign-Unternehmen nebenher auch keinen Grund dazu. Im Moment ist er zufrieden mit seinem Status, lässt seine Karriere bei LIV Golf ausklingen und sorgt gleichzeitig dafür, dass seine Familie über Generationen hin weg gut leben können wird. So gesehen kann man ihm nicht vorwerfen, dass er sich für das Geld und ein angenehmeres Leben entschieden hat. Die unangenehme Wahrheit über LIV ist, dass viele Menschen wohl dasselbe getan hätten. Einige wünsch ten sich jetzt, sie hätten es auch getan ... GT

sicherlich das Highlight. Es war anders als alles, was ich jemals in Australien erlebt habe und befindet sich mit Sicherheit auf Augenhöhe mit einigen der bes ten Turniere, die ich im Laufe meiner Karriere gespielt habe.“ wiederholten Behauptungen, dass LIV das Spiel wachsen lässt, steckt ein deutlicher Optimismus. Obwohl er wegen seiner Loyali tät gegenüber LIV als Botschaf ter der Swedish Golf Foundati on entlassen wurde, engagiert er sich weiterhin für die Entwick lung des Golfsports in seinem Heimatland. Er hat besondere Freude an seinem Engagement für eine neue Wohltätigkeitsin GESUNDER OPTIMISMUS In Stensons

Stenson gelobte Team Europe ganz öffentlich seine Loyalität, änderte jedoch seine Meinung

Stenson glaubt, dass LIV es ihm ermöglicht hat, seine Arbeit mit der Little-Sticks-Initiative zu intensivieren

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