GOLF TIME 8/2019
der Staffel über 4x100 Meter. Der 31-Jährige verlor im Alter von 14 Jahren beim Wake- boarden seinen rechten Unterschenkel, als er von einem Boot erfasst wurde. Um seine Kon- zentration vor einem entscheidenden Sprung zu trainieren, lässt sich Rehm heute von Caroline Mohr das Putten beibringen. Golf- erfahrung hat er nahezu keine. „Ich hatte bis auf ein paar Schläge auf einer Driving Range noch keine aktive Berührung mit Golf – lediglich als Zuschauer“, verrät Rehm. MENTALE STÄRKE ÜBER ALLEM Die Dame beginnt und macht es in Profi- manier vor: Aus gut acht Metern Entfernung peilt Caroline Mohr das Loch an. Der Putt sitzt, das dumpfe Geräusch verrät: Treffer. Nun ist Markus Rehm an der Reihe. Und der Golfneuling scheitert denkbar knapp: Nur die Lochfahne verhindert, dass der Ball ins Loch fällt. So springt der Golfball von der Stange wieder zurück aufs Grün. „Sehr gut! Ohne die Stange wäre der reingegangen“, lobt Mohr und erklärt: „Konzentration und Fokus sind elementar beim Golfen. Deshalb liegt im Training sehr viel Gewicht darauf. Es gibt so viele externe Variablen, die den Schlag be- einflussen.“ Was man Rehm sofort anmerkt: An Konzentration und Fokus mangelt es ihm auch abseits der gewohnten Tartanbahn nicht. „Beim Weitsprung ist man mehrere Stunden im Stadion, hat aber nur sechs Versuche – also nur wenige Minuten aktive Zeit. Da spielt die mentale Seite eine große Rolle“, gibt er Ein- blicke in seinen Sport. Hilft das Putten mög- licherweise künftig beim entscheidenden sechsten Sprung? „Vielleicht“, lacht Rehm und erklärt, wie wichtig der Fokus beimWeit- sprung ist: „Wenn ich loslaufe, sind die ersten fünf Schritte die wichtigsten. Dort passieren die meisten Fehler. Selbst wenn diese fünf Schritte nur minimal abweichen, addiert sich das bis zum Absprungbrett schnell auf zehn Zentimeter auf, die ich zu früh abspringe – und somit verschenke.“
Nachhilfestunde in Sachen Golf: Mohr und Rehm auf dem Putting Grün im GC Schloss Miel
AUF DEN PUNKT LIEFERN Vor allem wenn es um Widrigkeiten und schwierige Momente geht, haben Mohr und Rehm ihre Methoden, die Situation zu ihren Gunsten zu entscheiden. „Dieselbe Denk- weise funktioniert nicht jeden Tag für mich“, sagt Rehm. „Das ist immer stark tagesab- hängig. Es können so viele Dinge sein, die dich beeinflussen – positiv wie negativ. Man hat da eher ein Repertoire an Methoden und sucht sich die passende, die in genau dieser Situation helfen kann.“ Als eindrucksvolles Beispiel erzählt Rehm vom Finale in Rio 2016: „Ich habe mich zu sehr darauf konzentriert, eine Show abzu- liefern. Doch nach drei Sprüngen lag ich nur auf Rang drei. Dann habe ich mir aber in Erinnerung gerufen, dass ich das nicht für die Medien oder das Publikum mache, son- dern für einen kleinen Jungen, der ebenfalls
eine Amputation hinter sich hat und den ich persönlich kenne. Er ist mein Star – und ich wusste, er schaut zu. Das war eine Riesen- motivation, mich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren.“ Dabei können sehr viele Gefühle und Stim- mungen die beste Leistung herauskitzeln. Sogar ein Wutgefühl hilft Rehm mitunter, sich für einen Sprung vorzubereiten: „Ich mag die Herausforderung und bin besonders moti- viert, wenn meine Gegner schlecht über mich reden. Dann will ich es ihnen umso mehr zeigen.“ Mohr ergänzt: „Du musst wissen, was dich dazu bringt, auf den Punkt liefern zu können. Das ist so verschieden und jeder Tag ist anders. Ich bin beispielsweise nicht jeden Tag von Wut getrieben. Aber wenn mich Wut motiviert, dann bin ich fast nicht zu stoppen. Mich haben die Aussagen der Leute motiviert, die sagten, ich könne nicht zurückkehren und wieder Golf spielen. Die Wut auf diese Men- schen hat mich ungemein motiviert.“ Und fügt lachend hinzu: „Heute wäre ich da viel- leicht entspannter und würde sagen ‚Okay, du hast halt eine andere Meinung‘.“ Ob Golferin, ob Weitspringer – Mohr und Rehm haben durch ihren Sport gelernt, wie wichtig Fokus und mentales Training für das Abrufen der Leistung sind. Wichtig ist dabei vor allem, mit sich selbst und seinen Fähig- keiten im Reinen zu sein. „Es geht darum, zu wissen, wer man ist. Jeder hat seine Stärken und ist auf seine Art einzigartig“, fasst Caro- line Mohr zusammen. GT
Auftakt des „Golfers with Disability“-Programms der European Tour: Mohr mit u. a. Keith Pelley (2. v. l.)
Rehm in Aktion: Beim Finale der German Athletics National Championship 2019 in Berlin
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GOLF TIME | 8-2019
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