GOLF TIME 4/2022
COVER | BERNHARD LANGER
fast rigoros gegen seine eigenen Schwächen vor. Doch Langer ist eben nicht nur entschlossen, wenn es um die Verwirklichung seiner sportlichen Ziele geht, er verfügt auch über eine für Leistungssportler oft typische Mentalität, die Kritik an ihm abperlen lässt. Vor allem dann, wenn sie nach seiner Meinung unberechtigt ist. Seit vielen Jahren setzt Langer ei nen langstieligen Putter ein, der ihm bis zum Brustbein reicht. In den ersten Jahren fixierte die linke Hand den Griff in Brust höhe. Langer war nicht der Einzige, der diesen Griff wähl te, dessen Vorzug darin be stand, dass die Handgelen ke bei diesem Putter kaum mehr eine Rolle spielen. Auch die ehemaligen US-Masters Sieger Vijay Singh und Adam Scott wählten diesen Schläger, und sie setzten den Longtail Putter mit großem Erfolg ein. Die Fortschritte, die mit die ERFOLG MIT DEM LANGEN PUTTER
Die Monate der Erfolglosigkeit stellten ihn auf eine harte Probe, die er jedoch auf eine für ihn typische Weise meisterte. Er schaff te das unter anderem auch dadurch, dass er den neuen Griff beim Putten entwickel te, der den Einsatz der Handgelenke mini mierte. Er musste sich dazu tief nach unten beugen, den Schaft des Putters an seinen linken Unterarm klemmen, was natürlich seinen Rücken stark belastete. Aber nach gut einem Jahr schaffte er es, 1989 mit den Spa nish Open in El Saler bei Valencia wieder ein Turnier zu gewinnen. Langer fiel ganz und gar nicht leicht. Das kann man auch daran ermessen, dass sein härtester Widersacher in der letzten Runde in Spanien mit Paul Carrigill ein eher unbe deutender Profi war, der nie ein Turnier ge winnen konnte auf der europäischen Tour. Der Engländer konnte lange Widerstand leisten, zumal sich Langer noch einen eher ungewöhnlichen Fehler erlaubte. An einem Par-5-Loch zog er den Driver aus seiner Tasche, um vom Fairway aus das Grün zu erreichen. Bei keiner anderen Gelegenheit habe ich jemals beobachten können, dass er mit demHolz eins von der Spielbahn aus den Ball geschlagen hätte. Langer wollte die Ent scheidung erzwingen – und schlug seinen Ball mitten in einen Busch nahe des Grüns. Erst nach intensiver Suche fand er den Ball unter den Zweigen – natürlich in einer un spielbaren Lage. Glücklicherweise konnte er den Ball mit einem Strafschlag, nachdem er ihn besser gelegt hatte, weiterspielen und so gar noch das Par an diesem Loch retten. So schaffte der Masters-Sieger am Ende noch recht souverän das ersehnte Comeback als Sieger. Ein Erfolg, der wie eine Befrei ung wirkte und ihm ein paar Jahre später auch seinen zweiten Sieg in Augusta beim US Masters ermöglichte. Damals konnte man vielleicht das erste Mal ermessen, dass Langer eine lang anhaltende Karriere haben würde. Er war zäh, wirkte unermüdlich in seinem Streben nach Erfolg, und ging schon
sem Spielgerät möglich wurden, blieben den Mitbewerbern wie den Regelhütern nicht verborgen. Zwar wurde der Long tail-Putter dann nicht verboten, doch die Fixierung am Brustbein wurde untersagt. Wer also einen solchen Putter weiter einset zen wollte, durfte die Hand am Puttergriff nicht mehr am Brustbein anlegen. Die meisten Spieler wählten in der Folge dann einen anderen Schläger, doch nicht so Langer. Er setzt bis heute den Putter mit extra langemGriff ein, was ihm den Vorwurf eingetragen hat, er würde verbotenerweise einfach wie ehedem weite spielen. Seine linke Hand liegt nämlich so dicht am Kör
per, dass auf den ersten Blick der Abstand zur Brust nicht erkennbar ist. Langer muss sich deswegen auch immer wieder die Kritik anhören, er würde das Regelwerk austrick sen – aber er bleibt davon vollkommen un beeindruckt. Bei einer Produktion mit dem Hambur ger Profifotografen Stefan von Stengel ließ sich Langer beim Putten von unten ablich ten: Von Stengel lag für die Aufnahmen zwischen den Beinen Langers. Ziel dabei war es, dass der Fotograf durch seine Bilder den Nachweis führen sollte, dass sehr wohl ein Abstand zwischen Griff und Brustbein besteht. Langer jedenfalls setzt das Spiel gerät unbeirrt weiter ein, ohne dafür von den Schiedsrichtern sanktioniert zu werden. Er weiß natürlich sehr genau, was er tut. Heute agiert er auf den Grüns zuverlässig und konstant, und genau das konnte er in seiner Vergangenheit eben nicht leisten. LANGER SCHREIT SEINEN SCHMERZ HERAUS Wendungen in seiner Karriere, wie er sie er lebt hat, hätte vermutlich kaum ein anderer so bewältigen können. Bei dem schon an gesprochenen Ryder Cup etwa auf Kiawah Island 1991 hatte es ausgerechnet Langer in der Hand, den Europäern den imageträchti gen Titel beim „War on the Shore“ zu erhal
Einer der treuesten Wegbegleiter Langers war Caddie Peter Coleman (im Hintergrund die berühmte Ben Hogan Bridge in Augusta). Der Engländer trug die Tasche auch bei Langers zweitem US-Masters-Sieg 1993.
30 GOLF TIME | 4-2022
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